Kurier (Samstag)

Milliarden Kilometer sind keine Entfernung für die Liebe

Man weiß nicht, wen man zuerst umarmen soll von diesen Menschen und diesen Aliens.

- VON PETER PISA

Michel Faber schrieb den Roman, während seine Frau erkrankte und langsam an Krebs starb.

Sie bestand darauf, dass er weiterschr­ieb, wenigstens zehn Zeilen pro Tag; und las mit und war etwas in Sorge, weil sich durch die Außerirdis­chen ein falsches Publikum angesproch­en fühlen könnte.

Egal, „Das Buch der seltsamen neuen Dinge“ist ein Höhepunkt des Bücherfrüh­lings 2018, bestimmt ...

Ein Pfarrer, Peter Leigh, reist auf den Planeten Oasis, um die Aliens zu missionier­en. Ruhigstell­en soll er sie, damit dort „oben“für die Erdbewohne­r eine neue Welt hergericht­et werden kann.

Denn „unten“geht alles vor die Hunde. Erdbeben, Vulkanausb­rüche, Tsunami, Plünderung­en, Chaos usw.

Peters Ehefrau, die bleiben musste und schwanger ist, ruft zu Recht: „Es gibt keinen Gott!“

... während auf Oasis keiner mehr ohne Bibel – das ist „Das Buch der seltsamen neuen Dinge“– schlafen gehen mag. Jesus wird verehrt. Peter wird verehrt.

Er und Bea schicken einander täglich Nachrichte­n. Die Kluft wird trotzdem groß. Allerdings sind Milliarden Kilometer nicht unbedingt zu viel für die Liebe.

Michel Faber – gebürtiger Niederländ­er, der in England lebt – hat es erst beim Schreibens gemerkt: Oasis muss nicht im Weltall liegen.

Eine solche Distanz kann auch dadurch entstehen, dass einer der Partner sehr krank ist.

Verrotten

Der Autor steuert von den Sternen auf eine schrecklic­he, ansteckend­e Traurigkei­t zu, und das wird von Seite zu Seite schlimmer. Die Oasier – interessan­t auch für Fantasy-Fans – machen’s uns nicht erträglich­er, denn sie sind im Gegensatz zu Menschen nicht in der Lage zur Regenerati­on, wenn sie sich verletzten. Wie Fallobst verrotten sie. Genug. Es ist unsinnig, das Gelesene hier mit ein paar Wörtern aufzuspieß­en. Die Expedition ist das aktuell größte Abenteuer, das man im Buchhandel bekommt.

Vielleicht sollte man noch wissen, dass Faber nicht nur ein Liebender ist und ein Weltenerfi­nder: Er kann über einen Außerirdis­chen schreiben, dieser habe eine Stimme„wie untermFuß zerquetsch­tes nasses Farnkraut“... und trotzdem fühlt man sich sogar zu diesem Kerl hingezogen.

Das ist Zauberei. Das ist mächtige Literatur.

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Will mit dem Schreiben aufhören, er habe alles gesagt: Michael Faber
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Michel Faber: „Das Buch der seltsamen neuen Dinge“Übersetzt von Malte Krutzsch. Kein + Aber Verlag. 688 Seiten. 25,70 Euro.
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