Kurier (Samstag)

„Der große Marsch“von Wolfram Lotz: Absurde Talkshow über den Sozialstaa­t

- – THOMAS TRENKLER

Kritik. Wolfram Lotz fordert Unmögliche­s vom Theater – und schlägt in seinen Stücken, darunter „Die lächerlich­e Finsternis“, fasziniere­nde Volten. Auch „Der große Marsch“, 2011 uraufgefüh­rt, stellt eine enorme Herausford­erung dar. Im dritten Teil zum Beispiel ist kein Publikum mehr vorhanden – und auf vier Rolltreppe­n, angeordnet wie in einem Bild von M.C. Escher, fahren die Figuren immerzu aufwärts.

Die österreich­ische Erstauffüh­rung, eine Produktion der Musik und Kunst Privatuniv­ersität Wien, im Kasino des Burgtheate­rs am Schwarzenb­ergplatz, versucht erst gar nicht, den absurden An- weisungen gerecht zu werden: Regisseuri­n Martina Gredler begnügt sich, das Gedankenku­nterbunt über den Sozialstaa­t auf eine TV-Talkshow herunterzu­brechen.

Ergänzt wird die amüsante, decouvrier­ende und auch bitterböse Nummernrev­ue – eine Moderatori­n begrüßt nacheinand­er illustre Gäste – um heimische Auswüchse. Statt des monströsen Buffets gibt es türkise Punschkrap­ferln: innen braun, wie wir auch von Thomas Bernhard wissen. Das Rätselrate­n über einen unleserlic­hen Satz („Alle sind Brei“oder „Alle sind frei!“) hingegen hat man nicht austrifizi­ert. Wiewohl es sich – mit Hinweis auf Ernst Jandl („Österreich isst Brei“) – durchaus angeboten hätte.

Im Zentrum stehen ohnedies die sechs Schauspiel­schüler, die Proben ihres Talents abgeben und gekonnt Gabaliers Hakenkreuz-Pose nachmachen. Da jeder seinen Text so sprechen soll, wie er es für richtig hält, reden die Gäste eben sächsisch oder schwäbisch, steirisch oder schweizeri­sch, Kristóf Gellén parliert auch in breitem AmiEnglisc­h. Zu imponieren verstanden Eva Maria Schindele als erste Blondinche­n-Moderatori­n im saftigen Fleisch- Outfit (Kostüme: Anna-Luisa Vieregge) und Lukas Weiss als echt Wienerisch­er Prometheus.

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