Ein Gefangener im ewigen Kreislauf der Kriegsgewalt
Akram Khans „Xenos“im Festspielhaus
Einsam und (emotional) verwundet liegt er im Schützengraben. Ständiges Gefechtsfeuer peitscht auf seinen Körper ein. Sand, Lehm, Steine, Dreck – der namenlose Soldat indischer Herkunft hat alles verloren. Seine kulturelle Vergangenheit, seine Gegenwart und wohl auch seine Zukunft. Denn der Krieg kennt keine Gnade.
Und es ist kein so weiter Weg vom Blutbad des Ersten Weltkriegs hin zu heutigen Massakern im Nahen Osten, wo jeder Kämpfer zu einem Fremden seiner selbst wird.
So fremd
„Xenos“(„Der Fremde“), so nennt der großartige Tänzer und Choreograf Akram Khan sein nach eigenen Angaben letztes abendfüllendes Solo als Performer, das im Festspielhaus St. Pölten Station machte und in jeder Hinsicht unter die Haut geht.
Anfangs scheint noch alles gut. Zu indischer Musik übt sich Khan im klassischen Kathak, dem Tanz seiner Heimat. Es wird ausdrucksstark musiziert und getanzt, ehe sich die von Mirella Weingarten ersonnene Bühne plötzlich zu einer Rampe erhebt; vorhandene Stühle und andere Devotionalien der Zivilisation verschwinden. Der Mensch verliert im wahrsten Sinne des Wortes den Boden unter seinen Füßen.
Es herrscht Krieg. Kampf überall. Das Individuum ist hier nur ein Spielball. Der Lichtstimmungen, der Klänge. Aber Khan ringt. Um Würde, um sein Menschsein, sein (Da-)Sein. Vergeblich, denn Soldaten gehen durch alle Zeiten, sind Opfer und Täter zugleich, mutieren letztlich zu einem anonymen Körper, der seine Blessuren nicht länger verbergen kann.
So intensiv
Akram Khan übersetzt dies mit seinen fünf exzellenten Musikern in eine sehr reduzierte, dadurch jedoch umso wirksamere Bildsprache. Da besteht keine Gefahr, dass der Performer in Richtung (Bollywood-)Kitsch abdriftet, jede Geste wird zum verzweifelten Lebensaufschrei.
Khans Bewegungsvokabular spannt sich dabei von energetischen Ausbrüchen bis zur melancholischen Re signation. Kathak als Reminiszenz an eine verlorene Welt; klettern, kauern, kuschen als Ausdruck allgegenwärtiger Bedrohung. Khan zelebriert das ohne Pathos in einer Intensität, die als lakonische Bestandsaufnahme der Welt durchgeht. Schmerzlich und nachhaltig.