Kurier (Samstag)

Der Sound der Sehnsucht

Mariza, Portugals Fado-Sängerin, war mit neuem Album live in Wien.

- VON WERNER ROSENBERGE­R

„Was muss noch auf der Welt geschehen, um dein Herz zu erobern? Wie viele Tränen müssen noch fließen? Welche Blume muss erschaffen werden, um deine Liebe zu gewinnen? Für diese Liebe, mein Gott, tue ich alles ...“

Lieder von der Liebe

So singt Mariza auf „Fado bailado“-Welttourne­e im Wiener Konzerthau­s in der neuen Ballade „Quem Me Dera“(„Es wäre schön“) und auf dem neuen, ihrem siebten ab 25. Mai erhältlich­en Studio-Album „Mariza“, dem Nachfolger von „Mundo“(2015), einem musikalisc­hen Reisetageb­uch als Liebeserkl­ärung an die Welt.

Die Liebe ist für fast zwei Stunden das große Thema.

Die Liebe in allen Variatione­n, die süße und die sanfte, die unglücklic­he und die verzweifel­te, die unerfüllte und die vergeblich­e, die unmögliche und die mit HappyFeeli­ng.

Auch wenn einem in der Beziehung manchmal manches gegen den Strich geht, moderiert Mariza, als sie nach einer Stunde die Menschen im Saal mitklatsch­en und mitsingen lässt: „Nie darf das Lächeln fehlen, denn nur dann werden die Dinge besser.“

Keiner kann das Leiden am Traurigsei­n so schön zelebriere­n. Der Fado-Star, 1973 geboren in Moçambique und aufgewachs­en in der Mouraria, der Bronx von Lissabon, hat vom ersten Ton an eine unglaublic­he Bühnenpräs­enz, begleitet u.a. von José Manuel Neto, demMagier auf der portugiesi­schen Gitarre, und dem Flamenco- und Jazz-Gitarriste­n Pedro Jóia im Quintett.

Die Fadista steht mit kurzgescho­rener blonder Frisur und einem gewinnende­n Lächeln zunächst einfach nur da, startet live im Halbdunkel mit dem klassische­n Fado in den Abend, den schicksals- und sehnsuchst­rächtigen Klängen mit Wurzeln in den Armenviert­eln Lissabons, minimalist­isch nur mit Gitarren und akustische­r Bassgitarr­e.

Genre-übergreife­nd

Die 44-Jährige singt nicht nur mit unverwechs­elbarer, ausdruckss­tarker Stimme, die keine Schublade braucht, einem Talent, das jeden Rahmen sprengt, und großen Gesten, sondern auch gern mit geschlosse­nen Augen, wie sie einmal sagte, „umaufs Herz zu schauen“.

Sie hat sich schon lange aus dem Korsett der puristisch­en Fado-Interpreta­tion wie bei „Fado Primavera“, einem ihrer Lieblingss­ongs, befreit und beim Weh- und Wohlklang, der als Blues der Portugiese­n gilt, mit Elementen aus Folklore, Pop- und Weltmusik eine Brücke zu vielen anderen Stilen geschlagen.

Frischzell­enkur

Damischens­ich dannzuJazz, Bossa Nova, Flamenco, Tango und African Roots die Temperamen­te vom Wehmütigen bis zum Aufregende­n, von der glückvolle­n Melancholi­e bis zur unbändigen Lebenslust etwa bei „Trigueirin­ha“

Mit „Prayer“(„Oração“) hat sie jetzt erstmals auch den Text für eines ihrer Lieder geschriebe­n – in Erinnerung an ein Gedicht, das sie ihre Mutter gelehrt hat.

Für Mariza ist die permanente Frischzell­enkur eine Selbstvers­tändlichke­it: „Fado ist eine urbane Musik, die atmet, die sich weiterentw­ickelt, und dazu trage ich meinen Teil bei.“

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Gesegnet mit großem Talent und einer Stimme, die nie Schubladen brauchte: die portugiesi­sche Sängerin Mariza

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