Kurier (Samstag)

Löger hat sich bei Pflege verspekuli­ert

Bund ersetzt Ländern Mindestkos­ten von 340 Millionen für Wegfall des Pflegeregr­esses. Verwaltung­sreform wird vertagt. Kassenrefo­rm bleibt Streitfall mit Sozialpart­nern.

- VON UND CHRISTIAN BÖHMER BERNHARD GAUL

Der Bund wird den Ländern zur Pflegefina­nzierung nicht 100 sondern 340 Mio. Euro zahlen

Freitag am späten Vormittag wurden aus dem Wiener Rathaus Handy-Kurzmittei­lungen verschickt, in denen stand: „Weißer Rauch, es gibt eine Einigung“.

Viele Wochen haben Bund und Länder darüber gestritten, wie viel Finanzmini­ster Hartwig Löger den Ländern dafür zu überweisen hat, damit das im Bund beschlosse­ne Aus für den Pflegeregr­ess kein allzugroße­s Loch in die Kassen der Länder reißt. Freitag tagte die Landeshaup­tleute-Konferenz, Löger war zu Gast. Und natürlich war die alles entscheide­nde Frage: Wie viel kostet der Pflege-Regress die Länder wirklich?

Sind es 100 Millionen Euro im Jahr, wie Löger am Beginn der Debatte befand? Ist es eine halbe Milliarde Euro, wie Ländervert­reter bis vor kurzem noch selbstbewu­sst ventiliert­en?

Am Ende lag die Summe dazwischen. „Wir haben uns für das Jahr 2018 auf 340 Millionen geeinigt“, verkündete Michael Häupl, Noch-Landeshaup­tmann und Gastgeber der Landeshaup­tleuteKonf­erenz. Sein Nachsatz: „Wobei Ende 2018 abgerechne­t wird, was nun tatsächlic­h die Kosten sind.“

Auf den ersten Blick wirkt die Summe wie ein Sieg der Länder – immerhin musste Finanzmini­ster Löger satte 240 Millionen Euro auf sein ursprüngli­ches Angebot drauflegen.

Hat sich Löger, um es sehr spitz zu formuliere­n, also verrechnet und verspekuli­ert?

Wie so oft ist die Sache nicht ganz so einfach.

Denn tatsächlic­h ist die Einigung auf 340 Millionen Euro nur eine Art Versicheru­ng, „eine Höchstgren­ze“, wie Häupl erklärt.

Bis 31. Dezember 2018 muss jedes Land die Kosten exakt aufschlüss­eln und ab- rechnen – und nur diese Kosten werden nachträgli­ch ersetzt. Die Botschaft im Kern lautet also: Der Bund bezahlt nur für die tatsächlic­hen Pflegekost­en. Bleiben die Länder unter den 340 Millionen, bekommen sie weniger. „Und wenn mehr, dann mehr“, so Häupl.

Dass die Bundesländ­er für Pflege-Aufgaben vom Bund Geld fordern, ist weiter nicht überrasche­nd oder problemati­sch.

Außenstehe­nde irritiert freilich der Umstand, dass Bund und Länder bei der Kos-

ten-Kalkulatio­n so weit auseinande­rlagen.

Wie kam es dazu? Die erhebliche Differenz zwischen der geforderte­n Summe und jener, die von Löger nun zugesagt wurde, erklären die Landeschef­s so: Mehrere Länder – sie sagen nicht welche – wollten dem Bund auch die Kosten für „alternativ­en Wohnformen“wie beispielsw­eise das „betreute Wohnen“in Rechnung stellen. „Der damalige Gesetzesbe­schluss (zur Abschaffun­g des Pflegeregr­ess, Anm.) umfasst das aber nicht“, sagt Vorarlberg­s Landeschef Markus Wallner. Daher könne man dieses Geld auch nicht fordern. „Wir haben klargestel­lt, wir sprechen von der stationäre­n Pflege und sonst von nichts.“

Am Ende waren sich alle einig, dass das Thema damit nicht aus der Welt ist, und eine langfristi­ge Lösung des immer größer werdenden Problems noch gesucht wird.

Am Freitag immerhin ein Aufatmen: „Ich bin zufrieden, das wir eine Lösung haben – auch im Sinne und zur Beruhigung derer, die derzeit in Heimen gepflegt werden“, sagt Oberösterr­eichs Landeschef Thomas Stelzer.

Verwaltung­sreform

Wenig Substanzie­lles gab es noch bei der Grundsatz-Einigung in Sachen KompetenzB­ereinigung. Konkret geht es um die Abschaffun­g des Verfassung­sartikels 12, der gemischte Zuständigk­eiten von Bund und Ländern regelt. Der soll „vom Prinzip her“weg, sagt Häupl. Inhaltlich gebe es noch Uneinigkei­t. Die wirklich großen Brocken sollen erst bis Jahresende in einer Arbeitsgru­ppe behandelt werden, da geht es ums Armenwesen (Mindestsic­herung), den Spitalsber­eich und das Elektrizit­ätswesen.

Wenig Fortschrit­te gab es für Reformmini­ster Josef Moser auch bei der Transparen­zdatenbank. Einmal mehr haben die Länder zugesagt, diese jetzt wirklich mit Daten zu füllen. Die Datenbank gibt es allerdings schon seit 2010. Sie soll irgendwann einmal Zahlungen und Leistungen von Bund, Ländern und Gemeinden exakt erfassen, um vielleicht doch noch Licht ins Dunkel des Förderdsch­ungels zu bringen...

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 ??  ?? Länderchef­s konferiert­en diesmal in Wien: Stelzer, Kaiser, Niessl, Platter, Wallner, Mikl-Leitner, Häupl, Schützenhö­fer und Haslauer (v. li.)
Länderchef­s konferiert­en diesmal in Wien: Stelzer, Kaiser, Niessl, Platter, Wallner, Mikl-Leitner, Häupl, Schützenhö­fer und Haslauer (v. li.)
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Noch ein Abgang: Nach 18 Jahren tritt Wirtschaft­skammerbos­s Christoph Leitl ab, Nachfolger Harald Mahrer applaudier­t
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Für den 68-jährigen Wiener Häupl war es der letzte Gipfel mit den Länderchef-Kollegen

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