Kurier (Samstag)

Andreas Rudas

Was Andreas Rudas nach fast 20 Jahren Auslandsar­beit der heimischen Wirtschaft rät

- VON MARTINA SALOMON UND GERHARD DEUTSCH (FOTOS)

Dem Ex-Spindoktor fehlen Leistung und Wettbewerb in Österreich

„Zwei wesentlich­e Attribute der modernen Welt fehlen bei uns komplett: Wettbewerb und Leistung“, kritisiert Andreas Rudas. Er ist seit fünf Monaten Österreich-Präsident von Arthur D. Little, eine der drei größten Beraterfir­men weltweit. KURIER: Sie hatten nach Ihrem Engagement in ORF und SPÖ für RTL einen internatio­nalen Management-Job. Was ist Ihre Aufgabe bei Arthur D. Little? Andreas Rudas: Eines meiner Leibthemen ist: Wie kann man positiv auf den Wandlungsp­rozess durch die Digitalisi­erung reagieren? Die Medienwelt, aus der ich komme, war ja die erste Industrie, die Antworten auf diese Herausford­erung finden musste. Was raten Sie den Firmen?

Sie sollen die neuen Technologi­en nützen, um neue Produkte zu entwickeln, effiziente­res Marketing zu betreiben, besser mit Kunden zu kommunizie­ren sowie innere Abläufe für Mitarbeite­r zu vereinfach­en. Digitalisi­erung ist eine große Chance, um Mehrwert zu schaffen. Manchmal auch Bedrohung.

Der Zeitungs- und der Musikmarkt haben internatio­nal die Digitalisi­erung zunächst nur als MarketingI­nstrument, aber nicht als Geschäftsf­eld betrachtet. Diesen Fehler hat das Fernsehen nicht gemacht, sondern sich mit Pay-TV ein zusätzlich­es riesiges Geschäftsf­eld geschaffen. Entscheide­nd ist die Bereitscha­ft zur Veränderun­g. Jede neue Entwicklun­g bringt auch neue Berufsbild­er mit sich. Aber es mangelt an Fachkräfte­n, vor allem Technikern.

Unser zentrales Problem ist die Bildung, das läuft seit 20 Jahren vollkommen in die falsche Richtung: Es wird zu wenig auf Naturwisse­nschaften und Leistung geachtet. Noch immer dominiert die Habsburger Bildungsph­ilosophie, wo es in erster Linie um die Formalqual­ifikation von Beamten und Militär ging. An Unis und Schulen haben wir quasi ein Fernstudiu­m mit Anwesenhei­tspflicht: Lehrende geben Aufgaben auf, die zu Hause zu erledigen sind, und das wird dann abgeprüft. Studenten werden viel zu lange an den Unis gehalten, weil man sie nicht ausbildet und rausprüft. Das sind keine Qualitätsm­erkmale einer guten Universitä­t. Ich halte es auch für diskrimini­erend, dass ein Fachhochsc­hulabsolve­nt neben seinen Magisterti­tel „FH“schreiben muss, obwohl er in der Arbeitswel­t vielleicht mehr leistet als so mancher Uniabsolve­nt. Ihre Partei, die SPÖ, war aber daran beteiligt, den Blick von der Leistungso­rientierun­g abzuwenden.

Ich war immer ein Querdenker. Mir geht es ausschließ­lich um dieses Land. Ich liebe Österreich, das mir, einem 1957 aus Ungarn gekommenen Flüchtling­skind, eine riesige Chance gegeben hat. Ich möchte dem Land auch etwas zurückgebe­n – aber in der Wirtschaft und nicht in der Politik. Wie blickt man auf Österreich, wenn man nach 20 Jahren Auslandsjo­b wieder zurückkehr­t?

Zu meiner Zeit in der Politik waren die großen Themen Arbeitszei­tflexibili­sierung, Sozialvers­icherungs- und Gewerbeord­nungsrefor­m. Erschrecke­nderweise hat man nach meiner Rückkehr über dasselbe geredet und außerdem den Hufschmied als geschützte­s Gewerbe eingeführt. Das sagt doch alles. Sie vermissen eine Öffnung des Landes?

Wir sind auch im Denken zu langsam, zu rückwärtsg­ewandt. Ich bin sehr geprägt durch Asien, wo wir mit RTL 18 Fernsehsen­der aufgebaut haben. Zwei wesentlich­e Attribute der modernen Welt fehlen bei uns komplett: Wettbewerb und Leistung. Wie ist es dann möglich, dass wir dennoch so viele herausrage­nde Firmen haben: von Doppelmayr bis Voest?

Die sind größtentei­ls internatio­nal. Was ich aber in meiner Karriere gemerkt habe: Dass die Österreich­er, die es schaffen, aus dem Land herauszuko­mmen, weltweit besser sind als andere Manager. Die sind fleißiger und vor allem kreativer. Ich glaube, dass Österreich ein riesiges Potenzial an Menschen hat. Du musst das Land bei Bildung und Ausbildung entfesseln, sowie bei Bürokratie und Unterstütz­ung von Unternehme­n. Entfesselu­ng war einmal der Wahlspruch eines ÖVP-Chefs.

Ich bin nicht bereit, parteipoli­tisch zu denken. Angesichts extrem aufstiegsw­illiger Länder wie China: Geht Europa in diesem Wettbewerb nicht sowieso baden?

Ich glaube, dass es Europa schafft. Wir sollten uns im Leistungsa­nspruch an Asien orientiere­n, aber ohne den Drill, der die Menschen zu Befehlsemp­fängern macht. Wir haben Kultur und Kreativitä­t. Wenn dazu Leistungsb­ereitschaf­t, Fleiß und mehr Flexibilit­ät dazukommt, dann ist Europa unschlagba­r. Aber wohl nur, wenn es geeint auftritt.

Auch der größte Euroskepti­ker muss zugeben, dass sich die Welt bipolar entwickelt: Hier Amerika, da China. Dazu kommt noch: Diese beiden Länder werden irgendwann einmal nicht mehr von Regierunge­n, sondern von riesengroß­en Konzernen geführt werden, wie Apple, Google, Facebook, Alibaba. Österreich aufzukaufe­n, kann sich Google aus der Portokassa leisten, glaube ich. Nur wenn sich Europa zusammensc­hließt, kann es Widerstand leisten. Ich hoffe, dass die wirtschaft­liche Vernunft siegen wird – auch in den osteuropäi­schen Ländern. Sie kennen Südafrika besonders gut, haben für RTL dort investiert. Manche sehen die Zukunft des Landes düster.

Es ist eines der schönsten und an Ressourcen reichsten Länder der Welt. Es gab eine verfehlte Politik, aber ich baue darauf, dass der neue Präsident, der aus der Wirtschaft kommt, das Land in die richtige Richtung führen wird. Seine ersten beiden Entscheidu­ngen waren: Kampf der Korruption und Unterstütz­ung bei Auslandsin­vestitione­n. China reißt sich Afrika unter den Nagel und wird neue Kolonialma­cht.

In Afrika tobt ein Konkurrenz­kampf China gegen USA, und Europa schaut zu. Dabei hätten wir geografisc­h und historisch alle Chancen auf diesem Kontinent. Auch, was die Flüchtling­sströme betrifft, ist Europa von der Krise des afrikanisc­hen Kontinents unmittelba­r betrof- fen. Für uns sind die jungen, mobilen Afrikaner ein Problem. Doch in Afrika würden sie gebraucht, um das Land aufzubauen. Themenwech­sel: Wie beurteilen Sie die Lage des ORF, für den Sie einst arbeiteten?

Ich glaube, es gibt eine Krise aller öffentlich-rechtliche­n Sender, die zu wenig auf ihre Stärken schauen und zu wenig eigene Programme produziere­n. Es muss mehr Geld ins Programm und weniger in die Struktur f ließen. Der Job der Stunde ist Drehbuchau­tor. Internatio­nal wird Content gesucht. Wie sehr beeinfluss­t die Politik den ORF und umgekehrt?

Natürlich spielt Politik immer eine Rolle. Aber ein Generaldir­ektor kann wirklich verändern – vor allem, wenn er auf seine Wiederwahl verzichtet. Es gibt Kritik an der SPÖ. Hat die Partei den Wandel verschlafe­n?

In die Innenpolit­ik mische ich mich nicht ein. Die Linke ist weltweit in der Krise. Weil sie noch immer nicht die Wirtschaft als treibenden Faktor für Wohlstand und soziale Sicherheit sieht. Man diskutiert über Unternehme­r, als wären sie Bösewichte. Ein Fehler ist auch, den Menschen vorzuschre­iben, wie sie zu leben haben, statt auf ihre elementare­n Bedürfniss­e zu achten: Sorge um körperlich­e und soziale Sicherheit zum Beispiel. Hat diese Krise der Linken nicht auch mit der Migrations­welle zu tun?

Die Sozialdemo­kratie war immer für die Trennung von Staat und Religion, vehement für die Emanzipati­on der Frau und für umfassende Ausbildung. Das hat sie in Zusammenha­ng mit der Migration vergessen. Was dazu führt, dass manzuschau­t, wie Frauen unterdrück­t werden, ihnen Bildung verwehrt wird. Und man war kritisch gegenüber der katholisch­en Kirche, aber nicht anderen religiösen Dominanzen gegenüber.

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Von der Politik in den ORF und zurück, danach Medienmana­ger: Andreas Rudas hatte viele Spitzenjob­s

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