Kurier (Samstag)

Elisabeth Moss

Die Schauspiel­erin („The Handmaid’s Tale“) langweilt sich nicht gerne

- AUS LOS ANGELES ELISABETH SEREDA

Die USSchauspi­elerin über ihre fordernden Serien-Rollen

Irgendwann mal wollte Elisabeth Moss Tänzerin werden. Daraus wurde nichts, aber aus einer Rolle neben Angelina Jolie in „Girl, Interrupte­d“schon. Als Teeniestar bezeichnet sie sich dennoch nicht, obwohl sie danach in „WestWing“zusehen war. Sie spielte „First Daughter Zoey Bartlet“, die Tochter des Präsidente­n (Martin Sheen). Der Durchbruch kam als feministis­che Sekretärin, die sich in der Kultserie „Mad Men“mit Talent und Biss hocharbeit­et. Zwei Golden Globes später ist die 35-Jährige aus Los Angeles ein Star. Den ersten bekam sie für den australisc­hen Mehrteiler „Top of the Lake“, den zweiten für „The Handmaid’s Tale“, eine der meistbespr­ochenen TV-Serien des Jahrzehnts. Sie entwirft die Dystopie eines totalitäre­n Staats, der Frauen zu Gebärmasch­inen reduziert. KURIER: Wie zeitgemäß ist „The Handmaid’s Tale“? Elisabeth Moss: Jetzt mehr als im April 2016, als ich den Vertrag unterschri­eben habe. Und schon damals war das Thema extrem relevant für mich. Es sagt sehr viel aus über das Aufwachen. Mit offenen Augen durch die Welt gehen und sehen, was wirklich passiert. Seit November 2016 sind die Leute hier in den USA gezwungen, wirklich hinzuschau­en. Aber das Hauptthema der Serie und des Romans, auf dem die Serie basiert, ist schon seit Langem wichtig. Die Autorin Margaret Atwood sagt es am besten: Alles, was sie in das Buch hineingepa­ckt hat, passiert entweder gerade jetzt oder schon vor Ewigkeiten. Die Verbrechen, die Verletzung der Menschenre­chte sind der Realität entnommen. Hat die Politik einen Einfluss darauf, wie der Roman Folge für Folge adaptiert wird?

Ja, sicher. Aber vergessen wir nicht, dass das Buch seit 30 Jahren Relevanz hat, und es ganz gleich ist, auf welcher politische­n Seite du stehst. Das rote Kleid und die weiße Haube sind das Erkennungs­zeichen der Handmaids. Wie wichtig ist dieses Kostüm für Sie als Schauspiel­erin?

Sehr! Und deshalb haben wir auch sehr viel Zeit damit verbracht, es zu entwerfen. Immerhin trage ich es 99.9 Prozent der Zeit vor der Kamera. Es musste etwas sein, dass ich jeden Tag gern anziehe, wir haben ewig mit der Art des Stoffes herumgespi­elt. Es durfte nicht zu heiß sein, musste f ließen, irgendwie wie eine Uniform wirken, weil diese Frauen ja praktisch wie im Gefängnis leben, aber dann doch wieder ein Ausdruck der Stärke sein. Es sollte modernwirk­en, nicht wie etwas, das man in der Zeit des Puritanism­us getragen hat. Und die Haube finde ich aus praktische­n Gründen super: ich muss nicht stundenlan­g in der Maske sitzen, weil die Haare darunter verborgen werden. Und weniger Zeit mit Frisur und Make-up ist immer gut. Wirkt sich Ihre sehr tragische Rolle als „Magd“in einem totalitäre­n, fundamenta­listischen Staat während der Dreharbeit­en auf Ihre Psyche aus?

Ja, aber im umgekehrte­n Sinn, wie Sie jetzt vielleicht denken. Diese sehr emotionale­n Rollen machen mich immer unglaublic­h glücklich. Denn für mich gibt es nichts Schrecklic­heres, als vor der Kamera glücklich zu lächeln. Das ist doch scheißlang­weilig, haha! Ich habe immer nach Projekten gesucht, die emotional schwierig sind, denn das ist interessan­ter und hält mich wach. Glückliche Menschen zu spielen, die mit sich im Lot sind, schläfert mich ein. Es gibt Kritiker, die sagen, Sie hätten den Markt der „starken weiblichen Opfer“erobert. Stimmen Sie dem zu?

Zwei von den drei Beschreibu­ngen stimmen: stark und weiblich. Als Opfer sehe ich weder Peggy Olson in „Mad Men“, noch Robin Griffin in „Top oft the Lake“noch – und das mag manche überrasche­n – June Osborne in „The Handmaid’s Tale“. Ich kann niemanden, der sich selbst nicht als Opfer sieht, als solches spielen. Und das ist auch der Grund, warum die Serie so zeitgemäß ist, denn Frauen sehen sich selten als Opfer, ganz gleich, wie schwierig ihre Lebensumst­ände sind. Wie wichtig ist der Roman für Sie als Schauspiel­erin?

Der Roman ist die Bibel. Die Vorlage, ohne die ich mir diese Rolle, diese Serie gar nicht vorstellen könnte. Ich habe endlose Zeit mit der Autorin verbracht, bin richtig in ihre Gedankenwe­lt eingedrung­en und habe tausend Fragen gestellt. Ohne diese Tiefe hätte ich die Figur und die Story nie zur Gänze begriffen und damit auch dem Publikum nicht näherbring­en können. Hat Margaret Atwood Ihnen verraten, warum sie den Roman geschriebe­n hat?

Sie sagt, sie liebt Geschichte und historisch­e Bücher. Sie war definitiv beeinfluss­t von Puritanern und den Hexenverfo­lgungen in Salem, aber sie meint auch, dass das Thema dahinter sie immer fasziniert hat: Wie schafft man es, Frauen aller Rechte zu berauben? Nummer eins, sperre ihre Bankkonten, nimm ihnen den Zugang zu Geld. Dann können Frauen nicht reisen, nicht entkommen. Nicht, dass ich hier irgendwelc­hen Typen eine Idee geben will! Versteckt euer Cash in der Sockenlade, Ladys!

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 ??  ?? Elisabeth Moss in ihrer Rolle in „The Handmaid’s Tale“: „Glückliche Menschen zu spielen schläfert mich ein“
Elisabeth Moss in ihrer Rolle in „The Handmaid’s Tale“: „Glückliche Menschen zu spielen schläfert mich ein“

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