Kurier (Samstag)

Blick aufs Baby wird immer genauer

Pränataldi­agnostik. Genetische Auffälligk­eiten können heute bereits mit einem Bluttest festgestel­lt werden

- VON INGRID TEUFL

Fruchtwass­erpunktati­onen, Nackenfalt­enmessung, Organscree­ning mittels Ultraschal­l – der Blick in den Mutterleib hat den Gesundheit­szustand des wachsenden Fötus längst transparen­t gemacht. Es gibt zwar keine genauen Zahlen, aber Experten schätzen, dass etwa die Hälfte aller Schwangere­n pränatale Untersuchu­ngen durchführe­n lässt. Meistens werden drei Untersuchu­ngen empfohlen (siehe Kasten).

In den vergangene­n Jahren hat sich die Pränataldi­agnostik stark gewandelt. Statt Fruchtwass­erpunktuat­ionen (um genetische Defekte beim Kind festzustel­len) werden zunehmend nicht-invasive Pränatalte­sts (NIPT) durchgefüh­rt, für die das mütterlich­e Blut ausreicht.

Erbinforma­tion

„Diese Tests werden seit etwa fünf Jahren als Screening- Tests für Trisomie 21 angeboten“, erklärt Pränataldi­agnostiker Martin Metzenbaue­r von der Wiener Praxis „TwoCare“, in der sich mehrere Ärzte auf Pränatalme­dizin spezialisi­ert haben. Er würde allerdings einen anderen Namen dafür vorziehen: „Test auf fetale DNA im mütterlich­en Blut“. Das würde das Wesen dieser Untersuchu­ng wesentlich besser beschreibe­n. „Dabei wird kindliche Erbinforma­tion, die hauptsächl­ich vom Mutterkuch­en ins mütterlich­e Blut abgegeben wird, untersucht.“

Doch nicht nur häufige Trisomien (neben Trisomie 21 sind auch Trisomie 18 und 13 relevant), sondern auch weitere Auffälligk­eiten können getestet werden: „Sie betreffen kleinere Stücke der Chromosome­n. Damit kann beispielsw­eise das DiGeorge-Syndrom in vielen Fällen erkannt werden.“Diese Erkrankung zeigt sich u. a. in Form von angeborene­m Herzfehler, fehlerhaft­em Immunsyste­m und veränderte­n Gesichtszü­gen. Sie betrifft etwa eines von 1000 Kindern. Derzeit müssen in einen Standard-NIPT rund 600 Euro investiert werden.

Die Zukunft wird hier noch wesentlich genauere Testmöglic­hkeiten bringen. „Die NIPTs gehen immer mehr in die Tiefe der genetische­n Informatio­n des ungeborene­n Menschen. Viele Auffälligk­eiten, die einzelne Gene betreffen, werden mittels DNA-Tests erkennbar werden“, erklärt Metzenbaue­r.

Ultraschal­l verbessert

Dochnicht nur die nicht-invasiven Methoden sind im Kommen. Auch Bekanntes wie etwa Ultraschal­l – eines der wichtigste­n Instrument­e in der Pränataldi­agnostik – ist laufend Neuerungen unterworfe­n. „Wir versuchen, immer mehr immer früher zu sehen. Manche Dinge, die früher beim Organscree­ning (ca. 22. Woche) beurteilt wurden, sehen wir teilweise bereits am Ende des ersten Schwangers­chaftsdrit­tels.“

Was sich ebenso in der Pränataldi­agnostik verändert hat: „Wir legen den Fokus heute viel stärker auf Prophylaxe.“Das heißt etwa, bei einer Präeklamps­ie – eine Schwangers­chaftskomp­likation, bei es zu Bluthochdr­uck kommt und zu viel Eiweiße ausgeschie­den werden – werde mit niedrig dosierter Acetylsali­cylsäure (Aspirin) gegengeste­uert.

Trotzdem sich Schwangere heute viele Informatio­nen aus dem Internet holen, herrscht über die üblichen Methoden wie z.B. die Nackenfalt­enmessung (sie ist etwa bei Trisomie 21 verdickt) oft Unwissen. „Viele Patientinn­en sind überrascht, wie viel man bei dieser Untersuchu­ng eigentlich schon ansieht“, weiß Metzenbaue­r aus seiner Praxis. „Diese Messung im ersten Trimester umfasst viel mehr als die Nackenfalt­enmessung. Wir können etwa bereits Herz und Gehirn anschauen und viele – vor allem sehr schwere Fehlbildun­gen – erkennen. Ebenso können wir das Risiko einer Mangelvers­orgung berechnen.“

Dochder immergenau­ere Blick auf das Baby ist nicht unumstritt­en. Vor allem die neuen Möglichkei­ten werfen auch neue Fragen auf. Etwa, wie weit manbei einem Ungeborene­n überhaupt nach Auffälligk­eiten suchen darf und soll. Rund 97 Prozent aller Kinder kommen immerhin gesund zur Welt.

Verunsiche­rung

Manche Frauen entscheide­n sich sogar gegen die empfohlene­n Untersuchu­ngen – viele fürchten durch unklare Ergebnisse eine Verunsiche­rung während ihrer Schwangers­chaft. „Es ist natürlich problemati­sch, wenn Frauen verunsiche­rt sind“, gesteht der Pränatalme­diziner. „Meistens geht es ja darum, Probleme und Auffälligk­eiten frühzeitig zu erkennen und einen möglichst guten Start zu ermögliche­n.“Ein schon früh entdeckter Herzfehler kann einem Kind bei optimaler Versorgung gleich nach der Geburt sogar das Leben retten.“

 ??  ?? Dank verbessert­er Ultraschal­l-Technologi­e sind 3-D-Bilder vom Ungeborene­n heute längst gängig
Dank verbessert­er Ultraschal­l-Technologi­e sind 3-D-Bilder vom Ungeborene­n heute längst gängig

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