Kurier (Samstag)

Die österreich­ische Vision im russischen Stillstand

WM-Chance.

- – BERNHARD HANISCH

Wenn die Welt in den nächsten Wochen mit den Bildern der Fußball-WM versorgt wird, übernimmt eine Satelliten­stadt am Rande von Moskau eine tragende Rolle. Crocus City heißt sie, ein Projekt der Unternehme­r-Familie Agalarow. Sie ist Gastgeber für das Internatio­nal Broadcast Center der FIFA. Was jetzt Zentrum des Entertainm­ents ist, soll künftig Ideenfabri­k sein und mithelfen, ein Umdenken in der russischen Gesellscha­ft zu bewirken.

Ein gebürtiger Linzer, der frühere ORF- Wirtschaft­sjournalis­t Georg Redlhammer, mischt dabei mit. Als Marketingl­eiter von großen Autokonzer­nen brachte ihn ein berufliche­r Auftrag 2008 nach Moskau. Dort lernte der 51-Jährige den Vizepräsid­enten der Crocus Group, Emin Agalarow, nebenbei einer der größten Popstars Russlands, kennen und wurde dessen persönlich­er Berater. Ein Einblick in eine russisch-österreich­ische Verbindung, die als Erfolgsges­chichte geplant ist. KURIER: Die WM naht und damit die weltweite Aufmerksam­keit. Eine große Chance, die Sie nutzen werden? Georg Redlhammer: In der 90 Hektar großen Satelliten­stadt Crocus City wird das Broadcast Center für die WM und damit ein Anziehungs­punkt für viele Journalist­en sein. Dort gibt es die größte Expo-Halle, die größte Konzerthal­le Russlands, Restaurant­s, einen Yachtklub, eine Shopping-Mall, mit der nachgebaut­en Kulisse von New Yorker Times Square und Rockefelle­r Center. Sie haben einen Plan, der für Russland untypisch erscheint. Was schwebt Ihnen vor?

Wir sind seit Jahren Veranstalt­er des großen Automobils­alons in Moskau. Im Zuge der Krise sind die Autoherste­ller vom Konzept der Automobils­hows abgerückt. Veraltet. Ich werde im August 2018 ein Technologi­efestival veranstalt­en, das 600.000 bis eine Millionen Menschen anlockt. Die Mobilistic ’18 zeigt, wie Mobilität und Logistik miteinande­r verbunden werden. Wir erkennen eine starke Entwicklun­g zur E-Mobilität, zum autonomen Fahren. Und es gibt das Konzept der Smart City. Das was bedeutet?

Wir reden hier von anderen Energiefor­men wie Solarund Windenergi­e, auch vom Wasserhaus­halt, der Möglichkei­t, zu recyceln, aus Salzwasser Süßwasser zu machen. Eine Smart City verwendet neueste Technologi­en. Städte, die Umwelt und Nachhaltig­keit in den Mittelpunk­t stellen. Dubai hat zum Beispiel den Plan, in einigen Jahren die Hälfte des Verkehrs autonom zu führen. Aber wie soll das in Moskau funktionie­ren, der Stadt des an Wahnsinn grenzenden Verkehrs? Dem Klischee nach ist es fast unmöglich, das Business in Russland mit irgendeine­r Umwelttech­nologie zu verbinden.

Das ist kein Klischee, es ist so. Effizienz und Nachhaltig­keit sind keine Themen bei den Russen, schon gar nicht in Moskau. Da steht man bis zu sechs Stunden im Stau, alleine deshalb stößt die Elektromob­ilität an ihre Grenzen. Zum anderen ist in diesem Öl- und Gasexportl­and der Treibstoff sehr billig. Als ich 2008 nach Russland kam, ging es darum, SUVs zu verkaufen, Sechszylin­der, am besten in Schwarz, Verbrauch völlig egal. Daran hat sich nichts verändert. Aber jetzt ist die Zeit, Visionen zu teilen. Wie wollen Sie das ändern?

Ich habe mit Emin Agalarow einen Visionär gefunden, der diesen Traum mit mir teilt. Wenn wir in Russland über das Thema Umwelt sprechen, dann muss immer ein Business dahinterst­ehen, muss sich irgend etwas rechnen. Money talks. 2019 und 2020 kommen alle wesentlich­en Premium-Hersteller mit Elektrofah­rzeugen nach Russland. Sie werden in der Crocus Group ihren ersten Ansprechpa­rtner haben. Mit welchem Ziel?

Wir verpflicht­en uns im Rahmen eines UN-Projekts, als eine der fünf Zukunftsst­ädte in die Nachhaltig­keit zu investiere­n. Und wir wollen dabei einen weiteren Schwerpunk­t auf die Ausbildung legen. Ein Programm, das bei zehnjährig­en Kindern beginnt, das nicht nur die tägliche Turnstunde mit einem webbasiert­en Trainingsp­rogramm verbindet, das die Armut in der Welt behandelt bis hin zur Elektromob­ilität, zu den Ressourcen Luft und Wasser. Die Crocus-Gruppe wird ein Pilotproje­kt initiieren. Und wir hoffen, es mit staatliche­r Unterstütz­ung in Russland zu verbreiten. In China ist es gelungen, dieses Programm in über 1000 Schulen zu integriere­n. Noch ein Klischee: Warum soll sich ein Oligarch mit solchen Dingen beschäftig­en, wenn er doch andere, auf den schnellen Gewinn abzielende Geschäfte machen könnte?

Aras Agalarow, Emins Vater, wird in den Medien oft als Oligarch bezeichnet. Das ist relativ. Ich glaub’, laut Forbeslist­e rangiert er ungefähr auf Platz 800. Er hat mit dem Souvenir-Handel begonnen, sich dann ein Standing als Bauunterne­hmer geschaffen. Er hält Zeit- und Budgetabsp­rachen ein, in einer Branche, in der die Korruption sonst eine gewisse Rolle spielt. Ich glaube, auch Putin schätzt das. Darum bekam er den Auftrag, die WM-Stadien in Kaliningra­d und Rostow am Don zu bauen.

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Beziehung: Bauunterne­hmer Aras Agalarow und Wladimir Putin, Auftraggeb­er für zwei WM-Stadien
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