Kurier (Samstag)

Verwirrung um Asylkompro­miss

Deutschlan­d. Die Koalition hat sich geeinigt, dennoch droht Seehofer – was das jetzt bedeutet

- AUS BERLIN S. LUMETSBERG­ER

Nach wochenlang­em Streit zwischen CDU und CSU hat sich die Union mit der SPD auf ein Asylpaket geeinigt. Für Verwirrung sorgte zuletzt ein Satz über eine Vereinbaru­ng mit Österreich, ebenso wie Seehofers neueste Drohung.

Was ist der Kern des Asylkompro­misses?

Migranten, die bereits in einem anderen EU-Land Asyl beantragt haben, sollen in unmittelba­rer Nähe der deutsch-österreich­ischen Grenze ein „Transitver­fahren“durchlaufe­n.

Wie soll das Verfahren funktionie­ren?

Menschen werden in Transferze­ntren, also bestehende­n Einrichtun­gen der Bundespoli­zei, geprüft bzw. dazu in die bereits bestehende Unterbring­ung im Transitber­eich des Flughafens Mün- chen gebracht. Binnen 48 Stunden soll eine Rückführun­g stattfinde­n, was Juristen allerdings infrage stellen, da die Menschen dagegen Rechtsmitt­el einlegen können bzw. sie ihnen nicht abgesproch­en werden dürfen.

Wie viele Menschen wären davon betroffen?

Deutlich weniger als beim ursprüngli­chen Plan, Menschen direkt in die EU-Länder zurückzuwe­isen, in denen sie erstmals registrier­t wurden – das ist vom Tisch. Der jetzige Plan betrifft etwa 150 Migranten pro Monat in Bayern.

Wohin sollen die Menschen dann kommen?

Sie sollen in jene Länder gebracht werden, wo sie erstmals Asyl beantragt haben. Mit diesen Staaten will die Bundesregi­erung Vereinbaru­ngen schließen, das wären etwa Griechenla­nd und Italien, von wo die meisten Migranten kommen.

Was ist, wenn sich Länder nicht zuständig fühlen?

Das Ganze funktionie­re nur, wenn es bilaterale Abkommen mit den Staaten gebe, erklärte SPD-Chefin Andrea Nahles. Im Einigungsp­apier steht derzeit aber ein Satz, der für Verwirrung sorgt: „In den Fällen, in denen sich Länder Verwaltung­sabkommen über die direkte Zurückweis­ung verweigern, findet die Zurückweis­ung an der deutsch-österreich­ischen Grenze auf Grundlage einer Vereinbaru­ng mit der Republik Österreich statt“. Nun ist aber bekannt, dass die österreich­ische Regierung dies ablehnt und auch Innenminis­ter Horst Seehofer das zunächst akzeptiert­e. Aus deutschen Regierungs­kreisen hieß es gestern, dass es bei dem Satz um eine Vereinbaru­ng gehe, die natürlich noch zu schließen sei. Sollte sie nicht zustande kommen, erhalten die Flüchtling­e ein reguläres Prüfverfah­ren und würden nach Deutschlan­d einreisen.

Gibt es denn Bestrebung­en nach einer Vereinbaru­ng mit Österreich?

Laut Eleonore Petermann, Sprecherin des Innenminis­teriums, besteht derzeit kein Bedarf. Wichtiger sei es, Vereinbaru­ngen mit Italien und Griechenla­nd abzuschlie­ßen, da 75 Prozent dort ihren Erstantrag gestellt haben. „Erst, wenn diese Vereinbaru­ngen nicht zustandeko­mmen sollten, wird man noch einmal gemeinsam überlegen.“

Dennoch droht Seehofer im „Spiegel“mit Zurückweis­ungen an der Grenze, sollten keine bilaterale­n Vereinbaru­ngen zustande kommen.

Damit setzt er die Koalition und sein Amt aufs Spiel. Die Einigung ist Koalitions­vereinbaru­ng und sieht keine nationalen Alleingäng­e und einseitige Zurückweis­ungen vor.

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