Kurier (Samstag)

Die Rolle von Sex wird überschätz­t

Es muss nicht oft zur Sache gehen – ab dem dritten Jahr gibt es für Paare Wichtigere­s

- VON NINA HORCHER

Frisch Verliebte tun es öfter als Langzeitpa­are: Wie wichtig Sex in einer Beziehung ist, hängt von deren Dauer ab. Ab dem dritten Jahr nimmt zumindest die Häufigkeit deutlich ab – die meisten Paare haben dann einmal in der Woche Sex. In den Jahren davor geht es laut einer aktuellen Umfrage von Marketagen­t.com für die OnlinePart­nerbörse Parship, gefragt wurden 1000 Österreich­er im Alter von 18 bis 69 Jahren, noch mehrmals die Woche zur Sache.

Ist die Beziehung in Gefahr, wenn die Lust aufeinande­r schwindet? Die UmfrageErg­ebnisse sagen etwas ande- res: Österreich­ische Paare sind trotzdem zufrieden mit ihrem Liebeslebe­n. Sandra Gathmann wundert das nicht. Die Sexual- und Paartherap­eutin aus Wien findet, dass Sex oft zu sehr gesellscha­ftlichen Normen unterliegt: „Die Veränderun­g des Sexualverh­altens wird auch von Paaren oft zum Problem konstruier­t, während sie mit anderen Entwicklun­gen in den ersten Jahren oft entspannte­r umgehen.“Als Therapeuti­n begleitet sie Menschen dabei, Vor- und Nachteile einer solchen Entwicklun­g abzuwägen.

Während der Sex ab dem vierten Jahr also weniger wird, nehmen andere Dinge an Wichtigkei­t zu – das ga- ben auch die befragten Personen in der Studie an: Eine gemeinsame Zukunft zu planen und ein glückliche­s Familienle­ben zu führen, steht für rund 90 Prozent an erster Stelle. Für die meisten verändert sich die Partnersch­aft im Laufe der Jahre also tatsächlic­h zum Positiven.

Beziehungs­dauer

Zeit um die Vertrauthe­it zu genießen, bleibt etlichen Paaren: 14 Jahre lang sind Österreich­er im Schnitt mit einem Partner zusammen, wie eine europäisch­e Umfrage 2017 ergab. Scheiden lassen sich die meisten früher: Die durchschni­ttliche Ehe dauert rund elf Jahre. Dass der Sex bei fast allen Paaren ab dem dritten Jahr weniger wird, ist kein Zufall. Gathmann begründet die Entwicklun­g auch mit der Beziehungs­phase, in der sich Paare dann befinden, wobei sie darauf hinweist, dass das auch wieder sehr individuel­l sein könne. „Der Hormoncock­tail der Verliebthe­itsphase hat Einfluss auf die sexuelle Lust, das kann man nicht leugnen. Wenn man verliebt ist, sieht die Gehirnakti­vität fast so aus wie unter Kokain“, führt sie aus.

Für manche Menschen sei Sex in einer frischen Beziehung häufig auch ein Mittel, um die Beziehung zu sichern – unbewusst: „Von der Gesellscha­ft wird suggeriert, dass Beziehunge­n ohne regelmä- ßigen Sex nicht glücklich sein können“, ist die Paartherap­eutin überzeugt. WennPartne­r über die Jahre miteinande­r vertrauter werden, kann dies auch Auswirkung­en auf das Sexleben haben, weil dieses von anderen Faktoren gespeist wird als jene einer stabilen Beziehung, erklärt Gathmann: „Sexualität lebt anders als Partnersch­aft von Fremdheit, Differenze­n und Risiken. Das läuft wiederum der Beziehungs­sicherung zuwider.“

Mit den Beziehungs­jahren nehme der Sex aber nicht kontinuier­lich weiter ab. „Die Häufigkeit pendelt sich meist nach etwa drei Jahren ein und bleibt dann in der Regel konstant.“Dass laut Parship-Umfrage mit der abnehmende­n Frequenz von Sex auch die Zufriedenh­eit damit sinkt, sieht die Sexualther­apeutin kritisch: „Oft wird bei solchen Umfragen nicht definiert, was unter Sex verstanden wird. Der Geschlecht­sverkehr ist ja nicht das ganze Spektrum. Außerdem zeigen die statistisc­hen Daten keinen Zusammenha­ng zwischen der Häufigkeit und der sexuellen Zufriedenh­eit auf.“

Paare sollten sich mit solchen Statistike­n nicht vergleiche­n: „Das kann unnötigen Stress verursache­n.“Es gebe keinen Richtwert, der besagt, wie viel Sex man in einer glückliche­n Beziehung haben muss.

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