Filme, die man zum Fressen gern hat
Elisabeth Sereda über jene Filme, die man keinesfalls hungrig anschauen sollte
In Niederösterreich veranstaltet der Filmclub Drosendorf bis Ende August das Kulinarik & Film Festival. OpenAir-Kino mit zum jeweiligen Film – in diesem Fall werden österreichische Produktionen gezeigt – passenden Essen in einer Kooperation mit den Biobäuerinnen des Thayatals und lokalen Gasthäusern. Eine großartige Idee, die ich mir schon als Kind gewünscht hätte, als mir bei sehr berühmten internationalen Fressfilmen das Wasser im Munde zusammenlief. Und der Grund für einen Rückblick auf ebendiese Filme: „Prost, Mahlzeit“(1978): Der Originaltitel, „Someone is Killing the Great Chefs of Europe“, sagt alles über diese Krimikomödie, in der Regisseur Ted Kotcheff die Geschichte von vier Chefköchen erzählt, die der Queen im Buckingham Palace ein Gourmetdinner servieren, das auch im Magazin des fetten Herausgebers (brilliant gespielt von Robert Morley) erscheint. Ein Starkoch nach dem anderen wird nach seiner Spezialität ermordet. Jean Pierre Cassel (Gebackene Tauben) gart in seinem Backrohr zu Tode. Philippe Noiret (Gepresste Ente åla Orange) verendet mit seinem Kopf in der Entenpresse. Hauptdarstellerin Jacqueline Bisset wird im letzten Moment gerettet. Bevor ihre Eiscremebombe explodiert. Der Appetit vergeht einem trotz der grauenhaften Morde nicht. Im Gegenteil. Der Film hätte vermutlich noch mehr Geld eingespielt, wenn Kinos das viergängige Menü während der Vorführung serviert hätten. „Big Night“(1996): Die Art und Weise, wie Stanley Tucci und Tony Shalhoub zärtlich ein Timballo (Brot, das mit all möglichen, italienischen Delikatessen gefüllt ist, Anm.) streicheln, bevor sie es aufschneiden und einer auserwählten Gruppe von Freunden und Konkurrenten servieren, ist nichts weniger als sinnlich. „Big Night“macht Lust auf italienische Gerichte, die so schwierig sind, dass man dafür Tage Vorbereitung braucht. „Eat Drink Man Woman“(1994): Dieser Titel bezieht sich nicht auf Arnold Schwarzeneggers Englischkenntnisse (ein Witz, der vor Jahren bei einer der witzigeren Oscarverleihungen gemacht wurde), sondern auf einen AngLee-Film aus den Anfangszeiten des Meisterregisseurs, über einen taiwanesischen Meisterkoch, dessen einzige Möglichkeit, mit seinen drei frechen Töchtern zu kommu- nizieren darin besteht, ein einzigartiges Sonntagsessen auf den Tisch zu zaubern. „Eat Drink Man Woman“gewann einen Auslandsoscar. „Babettes Fest“(1987): Das dänische Drama ist ein Bankett von nicht nur kulinarischer Sinnlichkeit und zu Recht für den Oscar nominiert gewesen. Wie in allen guten Filmen ist das Essen eine Metapher für Leben, Liebe, Sex und Joie de Vivre. Die Gerichte stehen für die Emotionen der Familienmitglieder. Und ja, dieser Film erzeugt beim Zuseher Magenknurren. „Chocolat“(2000): Schokolade in der Fastenzeit? Quelle horreur! Juliette Binoche schockiert ein französisches Dorf, als sie ein Schokoladengeschäft eröffnet. Aber in diesem wunderbaren Märchen von Lasse Hallström überzeugt sie zuerst den versandelten Bootskapitän, gespielt von Johnny Depp, bevor der Geruch des duftenden Kakaos auch die Nasen der anderen Dorfbewohner erobert. Der Shop ist pure Fiktion, aber ich hatte ein Dejavu, als ich in New Yorks SohoDistrikt Marie Belle entdeckte, in dem die Schokotrüffel genauso aussehen wie im Film, und man fast erwartet, Juliette Binoches feine Gesichtszüge hinter der Theke zwischen den dampfenden Heiße Schokolade-Tassen zu erspähen. „Bella Martha“(2001): Noch nie haben Spaghetti besser geschmeckt als nach dieser bezaubernden Komödie, in der Martina Gedeck eine eigenwillige Gourmetköchin spielt, die mit der Nahrungsaufnahme ihrer sturen, achtjährigen Nichte konfrontiert ist. Erst als ein charmanter italienischer Koch in ihrem Restaurant anheuert und ihr beibringt, wie man gute Pasta macht, glätten sich die Wogen. Die Zutaten dieser deutschen Komödie sind fein gewählt und gut gewürzt. „Jiro Dreams of Sushi“(2011): Diese Liste wäre ohne diese Must-see-Doku für SushiFans nicht komplett. Barack Obama konnte aus Zeitgrün- den sein Dinner mit dem japanischen Premier Shinzo Abe in diesem berühmten Restaurant mit seinen elf Sitzplätzen in den Tiefen einer U-Bahnstation in Tokyo nicht fertigessen, aber jeder hätte wohl gern die Reste aus der Küche des dreifach Michelin-gekrönten Ladens gehabt. Und nur bei einem Fressfilm verging mir der Appetit: „Das GroßeFressen“, 1973. In diesem Film von Marco Ferreri, in dem sich fünf Leute in der Midlifecrisis (Marcello Mastroianni, Andrea Ferreol, Ugo Tognazzi, Michel Piccoli und Philippe Noiret) zum letzten Mahl treffen, wird bewiesen, dass Überfressen nicht sexy ist.