Orgasmus im wahrsten
Bachmann-preis. Sex, Mysteriöses und viele unfreiwillige Bonmots am zweiten Tag des Wettlesens in Klagenfurt.
Der zweite Tag beginnt mit – einer Kieferorthopädin! Im Saal machen sich zarte Angstgefühle breit: Wird sie auch nicht bohren (nein, sie wird, man verzeihe den Kalauer, sich bohren lassen).
Die Schweizerin Corinna Sievers, im Brotberuf Zahnärztin, schildert mit eindeuti- gen Worten die erotische Begegnung einer sexsüchtigen Zahnärztin mit einem Patienten. Der Text ist lustig, traurig und dreckig zugleich.
Juryvorsitzender Hubert Winkels meinte leicht irritiert, der Text sei ungewöhnlich für die frühe Tageszeit und nannte ihn „scientistisch“. Nora Gomringer nannte den Text zu Recht „immens lustig“, Hildegard Keller meinte (ebenso zu Recht), kein Mann würde seinen Orgasmus „auf den Abend verschieben“, und Klaus Kastberger, gehüllt in ein Brasilien-Trikot, sagte (auch nicht unrichtig) „Zahnärzte kann man immer brauchen“.
Moderator Christian Ankowitsch sagte dann etwas sehr Schönes. Nämlich: „Im wahrsten Worte des Sinnes.“Kann man das Wesen der Literatur besser beschreiben?
Die zweite Autorin Ally Klein aus Deutschland lieferte das beste Kurzporträt: Man sah sie minutenlang schweigen. Ihr Text befasste sich mit dem Thema Sinne und Wahrnehmung. Juror Stefan Gmünder sagte dazu: „Das Präzise trifft auf das Sinnliche.“Hildegard Keller merkte an: „Adjektive leisten nichts. Ich sage als Schweizerin: Die sollen arbeiten!“
Endlich Literatur!
Als dritte liest die in der Ukraine geborene, in Wien lebende Tanja Maljartschuk. Ihr Text war eine subtile Beschreibung von Einsamkeit und Fremdsein. Jurorin Nora Gomringer rief dann auch begeistert aus: „Alle sind erleichtert! Endlich Literatur!“Inse Wilke merkte an: „Eine ganz einfache Geschichte, die aber sehr kompliziert ist.“(Sind wir das nicht alle?) Danach kam der Autor Bov Bjerg aus Deutschland mit einer Geschichte über das Verhältnis eines suizidgefährdeten Vaters zu seinem kleinen Sohn. Und Insa Wilke wusste schon wieder etwas Widersprüchliches zu sagen: „Das ist ein spektakulär unspektakulärer Text, oder an-