Sechs Millionen Euro in Ministerium versickert
Vernichtender Rechnungshof-Bericht
Millionen zu viel überwiesen, dazu offenbar Hunderttausende Euro ohne Gegenleistung ausbezahlt – ein Rechnungshofbericht deckt skandalöse Zustände rund um die Bundesanstalt für Verkehr auf. Der KURIER hatte seit 2016 mehrfach über die Agentur berichtet und vieles rund um die Untersuchung von tödlichen Zugsunfällen und Flugzeugabstürzen aufgedeckt. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt derzeit gegen drei Personen, zwei Ministeriumsmitarbeiter und den Chef zweier externer Firmen. Laut Rechnungshof habe auch die Kontrolle des Verkehrsministeriums – unter der damaligen Führung von Doris Bures und Alois Stöger – versagt.
Am 12. Juni 2016 lautete der Titel eines KURIER-Berichtes „Schlamperei auf Schiene“. Damals war noch unklar, dass daraus und den folgenden Recherchen (von KURIER und Neos) einer der größten Skandale im Verkehrsministerium werden würde. Am Freitag legte der Rechnungshof (RH) seinen Untersuchungsbericht vor – und der hat es in sich. In der Untersuchungsstelle für ZugsunfälleundFlugzeugabstürze dürfte es drunter und drüber gegangen sein.
Gegen drei Personen wird deshalb aktuell von der Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt. Mindestens 6,3 Millionen Euro sollen versickert, Gelder ohne Rechnungen ausbezahlt worden sein. Die Kontrolle des Verkehrsministeriums – unter der damaligen Führung von Doris Bures und Alois Stöger – soll versagt haben. Der RH fand sogar Hinweise darauf, dass Berichte in der Bundesanstalt für Verkehr (BAV) geschönt worden sein könnten.
Vier Tote
Konkret geht es um den Fall Achensee: 2011 stürzte ein Polizei-Hubschrauber ab, vier Insassen starben. Die von Flottenchef Werner Senn später verkündete Ursache (Vogelschlag oder epileptischer Anfall) wurden nicht nur von Zeugen und Experten, sondern auch von der Untersuchungsstelle widerlegt. Die unabhängigen Untersucher wurden bei einer Besprechung von Innen- und Verkehrsministerium kurzerhand ausgeschaltet. Der Bericht wurde danach jener Privatfirma übergeben,dienunMillionen kassiert haben soll.
Diese Firma S., die ein Oldtimer-Händler gegründet hatte, kürzte den Bericht von 58 auf 40 Seiten, vor allem die brisanten Schlussfolgerungen und Sicherheitsempfehlungen fielen dabei raus. In der Skandalagentur wurden dafür zwei Computersysteme verwendet, die mutmaßlich auch für solche „Kürzungen“nebeneinander betrieben wurden.
Bis heute wurde der Achensee-Bericht ebenso wie jener zum Absturz eines Polizei-Helikopters in Deutschlandsberg (2009) nicht veröffentlicht – was der Rechnungshof nun einfordert.
Noch unter Verschluss
Fünfeinhalb Jahre dauerte durchschnittlich eine Untersuchung. 79 Ermittlungen sind nicht fertig bzw. wurden einfach eingestellt. Darunter die meisten Absturzberichte zur Wiener Neustädter Diamond Aircraft. Unter Jörg Leichtfried (SPÖ) und Norbert Hofer (FPÖ) wurden zwar die gröbsten Missstände beseitigt, die brisantesten Berichte sind aber noch unter Verschluss.
Die BAV beauftragte externe Firmen nicht nur mit Sicherheitsuntersuchungen, sondern auch mit technischen Unterwegskontrollen (Fahrzeugprüfung). Laut RH können die Abrechnungen nicht nachvollzogen werden, „weil diese nicht auf den erbrachten Gutachten (...), sondern auf dem gesamten Personalaufwand des Unternehmens beruhten“. Die BAV vergütete also nicht die vertraglich zustehenden Sachverständigen-LeistungeninHöhevon1,5Millionen Euro, sondern rund 6,8 Millionen Euro. Sogar Ausbildungskosten der Firmenmitarbeiter (854.000 Euro) sollen aus Steuergeld bezahlt worden sein.
Außerdem hätten diese externen Aufträge (1,5 Millionen Euro im Jahr) ausgeschrieben werden müssen. Auch soll ein Verkehrsgutachten der Asfinag nur 194 Euro gekostet haben, eines der Firma des OldtimerHändlers 2969 Euro – somit 15-Mal mehr.
Das Unternehmen soll Rechnungen in Höhe von 157.000 Euro für Zeiträume gestellt haben, in denen keine Prüfeinsätze stattgefunden haben sollen. Bei den Sachverständigen-Aufträgen für Sicherheitsuntersuchungen hat die BAV für die Jahre 2013 bis 2016 „wesentlich mehr Einsatztage bezahlt, als von den drei (eingesetzten) Sachverständigen geleistet werden konnten“. Am Ende soll der BAV-Chef 2016 rund 348.000 Euro gezahlt haben, „obwohl keine offenen Forderungen bestanden oder die BAV keine Gegenleistungen erhalten hatte“.
Die Folge der RHPrüfung sind, wie im Juni 2017 berichtet, Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen drei Verdächtige wegen des Verdachts der Untreue und des Amtsmissbrauchs. Von den Verdächtigen könnte ein Teil des mutmaßlichen Schadens zurückgefordert werden. Im Büro von Minister Hofer heißt es, dass die meisten „Altlasten bereinigt wurden, wir sind gut unterwegs“. Von Doris Bures stand eine Stellungnahme aus.
„Nicht stattgefunden“
Der Firmenchef wies im ORF Radio alle Vorwürfe zurück. Auch der BAV-Chef wehrt sich: „Ich kann die Berechnungen des Rechnungshofes nicht nachvollziehen“, sagt Hofrat Gerald Pöllmann zum KURIER. „Ich habe in keine Unfalluntersuchung eingegriffen.“Was die Zahlungsflüsse betrifft, müsse er den Bericht erst prüfen. Er habe zehn Jahre mehr Planstellen gefordert, aber nicht erhalten. „Ich musste daher Leistungen zukaufen“, sagt Pöllmann. „Die Leute haben nicht nur in der Unterwegskontrolle gearbeitet. Jetzt stehe ich da, wie wenn ich Steuergeld für sinnlose Sachen verschwendet hätte. Das finde ich nicht in Ordnung,weilesnichtsowar.“