Kurier (Samstag)

Was bleibt von Strolz mehr als etwas Pink?

- JOSEF VOTZI

Es war einer der magischen Momente wie sie selten geworden sind: Keiner spielte mit seinem Handy, keiner schrieb unterm Tisch schnell noch eine SMS oder tratschte mit dem Nachbarn. Die 182 anderen Abgeordnet­en hörten dem Kollegen, der gerade am Rednerpult stand, gespannt zu. Matthias Strolz bot auch in seiner Abschiedsr­ede keine leichte Kost: Viel philosophi­sch Grundsätzl­iches und abwägend Nachdenkli­ches – aber immer mit jener Mischung aus ansteckend­er Begeisteru­ng und augenzwink­ernder Selbstiron­ie, die den Vorarlberg­er zu einer Marke gemacht haben. Strolz fasziniert so über die rund 270.000 Österreich­er hinaus, die sein Polit-Baby, die Neos, auch tatsächlic­h als Wähler hochgepäpp­elt haben. Unter vier Augen sagen auch hochrangig­e Blaue: Der Abgang des 45-Jährigen ist ein herber Verlust für die Politik.

Als Türkis-Blau als erste „Reform“das geplante Rauchverbo­t in der Gastronomi­e aufhob, hielt Strolz eine Brandrede, die zum YouTube-Hit wurde. Sein leidenscha­ftlicher Appell an die dafür verantwort­liche FPÖ-Ministerin Beate Hartinger-Klein wurde zum geflügelte­n Wort: „Frau Ministerin, was ist mit Ihnen?“Seine Leidenscha­ft, Schülern „die Flügel zu heben“wurde anfangs belächelt. Inzwischen ist es ein Leitmotiv jeder Schuldebat­te.

Auch eine Schlüsselp­assage in seiner Abschiedsr­ede hat das Zeug prägend in Erinnerung zu bleiben. Strolz schloss mit einer Liebeserkl­ärung an den „zivilisier­ten Streit“; die befruchten­d respektvol­le Auseinande­rsetzung quer durch alle Lager. Denn, so Strolz: „Das Alte ist tot, das Neue ist noch nicht ganz da. Wir müssen Österreich neu erfinden. Es gibt dafür in jeder Fraktion gute Leute. Das ist Parlamenta­rismus und das brauchen wir.“

Politik am Scheideweg: Dem Miteinande­r wie Strolz die Flügel heben. Oder wie Kickl das Gegeneinan­der befeuern.

„Mehr Achtsamkei­t“oder „Daham statt Islam“

Es war ein Zufall, dass wenige Stunden danach mit Herbert Kickl ein Politiker im Scheinwerf­er-Licht stand, der für etwas total anderes steht: Für Polarisier­ung, Spaltung und die nachhaltig­e Vergiftung des politische­n Klimas. Als langjährig­er Redenschre­iber und Reimeschmi­ed für Haider und Strache erfand er Wahl-Slogans wie „Pummerin statt Muezzin“und „Daham statt Islam“.

Befragt nach seinem Lieblingsa­utor überrascht­e er einst mit der Aussage: „In der Freizeit nehme ich gerne Hegel zur Hand oder lese zur Entspannun­g wieder einmal Platon.“Als gelernter Dialektike­r punktete Kickl so auch bei kritischen Beobachter­n durch seine Kaltschnäu­zigkeit mit der er die Kritik am Versuch der Knebelung kritischer Medien durch sein Ministeriu­m abschmette­rte: Keine Spur von Nachdenkli­chkeit oder gar Entgegenko­mmen.

Das verfestigt den Eindruck: Der blaue Mann fürs Grobe ist neun Monate nach Amtsantrit­t als Minister für die ganze Republik noch immer nicht angekommen.

Matthias Strolz schloss seine letzte Parlaments­rede mit einem Appell für mehr Achtsamkei­t im Umgang miteinande­r. Der pinke Parteigrün­der will seine Ex-Kollegen dafür auch bald ein konkretes Angebot zur Umsetzung im parlamenta­rischen Alltag machen. Das ist in einem Klima zunehmende­r Polarisier­ung dringliche­r denn je.

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