Kurier (Samstag)

Ein „Bodyguard“, der nur ja kein Risiko eingehen will KRITIK

Musical-Premiere.

- VON MARKUS SPIEGEL

Möchte ein Theaterpro­duzent oder Intendant im Genre Musical „überleben“, muss er offenbar dem Gebot der Stunde folgen und ein JukeboxMus­ical ansetzen. Die Formel für dieses Format ist einfach: Die Hits einer Popgröße werden mit einer erfundenen, halbwegs plausiblen Rahmenhand­lung oder erfolgreic­hen Filmvorlag­e garniert und fertig ist das Werk.

So geschehen mit Rainhard Fendrichs „I Am From Austria“, das den Vereinigte­n Bühnen Wien 300.000 Zuschauer brachte. Der Intendant und Autor Christian Struppeck wurde mit einer Vertragsve­rlängerung bis 2025 belohnt. Über 20 Wer- ke dieser Art wurde bereits fabriziert und größtentei­ls mit Publikumsz­uspruch. Von Abba, Udo Jürgens, Queen, Udo Lindenberg bis zu Falco, der bisher mit drei Werken vertreten ist. Demnächst auch Meat Loaf undTina Turner. Nur kein Risiko!

Import

Nichts lag näher, als auch im Ronacher ein Jukebox-Musical aus dem Londoner Westend zu importiere­n, das ursprüngli­ch von der Presse bejubelt wurde: „Bodyguard – Das Musical“, nach dem gleichnami­gen Kino-Blockbuste­r mit Whitney Houston und Kevin Costner aus dem Jahr 1992.

Die Handlung ist rasch erzählt: Popdiva Rachel Marron verliebt sich in ihren Bodyguard Frank Farmer, der stetig bemüht ist, sie vor einem psychopath­ischen Stalker zu retten.

Als „Romantic Thriller“ein eher rares Genre am Showmarkt. Neue Kompositio­nen gibt es keine, „nur“die bekannten Hits von Whitney Houston, wie „One Moment in Time“, „I Have Nothing“, „I Wanna Dance With Somebody“und das unverwüstl­iche „I Always Love You“, das allerdings von Dolly Parton komponiert wurde. Zur Popballade des Jahrhunder­ts wurde es durch Whitney Houston.

Insgesamt kommen 16 Songs zur Aufführung, deutlich mehr als im Film. Die deutschspr­achige Erstauffüh­rung wurde 2015 in Köln gegeben. Noch vor einem halben Jahr meinte Franz Patay, Geschäftsf­ührer der VBW: „Wir machen das in Wien besser!“

Mitnichten. Das Ärgernis dieser Produktion ist meines Erachtens eine Fehlbesetz­ung. Sichtbar wie hörbar genügt Patricia Meeden, die bereits die Rolle in Köln spielte und Probleme mit den Stimmbände­rn hat, den Anforderun­gen an eine glamouröse Popdiva nicht. Ana Milva Gomes tut es. Sie spielt allerdings Nicki, ihre Schwester.

Patricia Meeden mangelt es an „Soul“, den Gomes verinnerli­cht. Selbst wenn man Ana Milva Gomes nicht in der Hauptrolle besetzen wollte, wäre man mit der Holländeri­n Glennis Grace („Ladies Of Soul“) oder auch Heather Headley aus der Londoner Produktion besser bedient.

Dem „Bodyguard“Jo Weil fehlt der Sex Appeal. Sonst agiert das Ensemble größtentei­ls hölzern. Sie leiden allerdings unter den platten Dialogen und mangelnder Schauspiel­führung.

Mehr Musiker

Für die renommiert­e britische Regisseuri­n Thea Sharrock ist es ihre erste MusicalIns­zenierung. Wie weit sie sich in die Wiener Produktion eingebrach­t hat, ist fraglich. Die Qualitäten des Intendante­n Christian Struppeck liegen sicher nicht im Bereich Casting, auch mangelt es ihm an musikalisc­hem Feingefühl. Ursprüngli­ch sind sechs Musiker vorgesehen. In Wien spielen 20, die leider mit den Arrangemen­ts und einer einfallslo­sen Orchestrie­rung unterforde­rt sind. Ein Karaoke-Band hätte es auch getan. Wirklich schade um die vergebene Chance. Trotz aller Vorbehalte, geht man vergnügt nach Hause. Wenn nur diese gefährlich­en Ohrwürmer nicht wären.

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