INTERVIEW
Im November wird Terry Gilliam, der amerikanische Mitbegründer der britischen Komiker-Anarchos „Monty Python“, 78 Jahre alt. Und er hat sich selbst das größte Geburtstagsgeschenk gemacht: Sein Lieblingsprojekt, ein Film über „Don Quixote“, läuft nun endlich im Kino.
Der „Ritter von der traurigen Gestalt“ist als Gilliam-Figur sehr vertraut. Und wenn diese Metapher auf einen Filmemacher zutrifft, dann auf jenen Mann, der nicht nur mit Werken wie „Time Bandits“, „Brazil“, „König der Fischer“oder „12 Monkeys“Kinogeschichte schrieb, sondern auch mit seinen dramatisch gescheiterten Projekten.
Beinahe zwei Jahrzehnte ist es her, seit Gilliam gemeinsam mit Johnny Depp als Sancho Pansa und Jean Rochefort als Don Quixote in Spanien zu drehen begann. Die Filmarbeit wurde zum Kampf gegen Windmühlen. Gegen Sandstürme in der spanischen Wüste und gegen Rückenprobleme des Hauptdarstellers, der deshalb nicht mehrsein Pferd Rosinante besteigen konnte. Der Abbruch der Dreharbeiten wurde zum finanziellen Desaster – wovon der Dokumentarfilm „Lost in La Mancha“zeugt.
Die Rückgabe der Rechte ameigenen Drehbuch musste Gilliam gerichtlich erkämpfen. Danach kündigte er unermüdlich eine Reihe von Neuversuchen an. Mit ständig wechselnder Besetzung: Erst sollte Robert Duvall den Don Quixote spielen, dann John Hurt oder Monty-Python-Kollege Michael Palin. Alle Versuche scheiterten.
In Anspielung an seine Pechsträhne fängt Gilliam seinen endlich fertiggestellten Film mit einer Windmühlenszene an. Adam Driver, der als gescheiterter Filmemacher Toby die eigentliche Hauptrolle spielt, beendet gerade einen Werbedreh für eine Versicherung. Als ihm ein Straßenhändler die Raubkopie einer vergessenen Cervantes-Verfilmung offeriert, erkennt er darin seinen eigenen Studentenfilm.
Falsche Terroristen
Quer durch die staubigen Hügel von La Mancha macht er sich auf die Reise zu seinen einstigen Drehorten. Diese Suche eines Regisseurs nach der Stätte seines einstigen Scheiterns wird zur sentimentalen Klammer des Films. Gilliams eigene Leidensgeschichte ist immer wieder spürbar. Gegenwart und mythische Vergangenheit verbinden sich zu einem grotesk-komischen und aberwitzig schamlosen Maskenspiel. Moderne Inquisitoren führen uns bei ihrer Suche nach falschen Terroristen – verschleierte Frauen mit Bärten – in ein Dorf, dessen maurische Bevölkerung sowohl an Opfer der Reconquista als auch an die heutige Flüchtlingskrise erinnert.
Dieser Blick auf die Geschichte, die sich jederzeit wiederholen kann, wiegt nicht nur die humoristischen Blindgänger auf, die Gilliam in diesem Film bisweilen passieren, er verleiht auch den parodistischen Szenen einen pessimistischen Unterton. KURIER: Hatten Sie aufgrund der vielen Rückschläge das Gefühl, sich in einem bösen „Monty Python“-Sketch zu befinden, aus dem es kein Entrinnen gibt? Terry Gilliam: In gewissem Sinne ja, weil ich den „Monty Pythons“immer schon entkommen wollte. Erfolglos, wie Sie wissen. Warum wollten Sie entkommen?
Meine Trickfilme und Animationen entstanden immer erst nach der Aufzeichnung der lustigen Fernsehshows. Mit dem geringen Budget und der damaligen Technik war das eine Viechsarbeit. Die Kollegen gingen in Pubs und Restaurants, während ich in meiner Wohnung hockte, Papier ausschnitt und farbig anmalte. Ich versuchte mich in ihre Welt hineinzudenken, weil ich dazugehören wollte. Sie erlaubten mir gönnerhaft, für ein paar Kurzauftritte eine unbequeme Rüstung anzuziehen und jemanden mit einem Gummihuhn zu verprügeln. Nach meinen desaströsen Erfahrungen mit dem „Don Quixote“wüsste ich einige Leute, die ich gerne mit einem Gummihuhn verprügeln würde. Und wie fühlen Sie sich jetzt, nachdem der Film fertig ist?
Ich habe ein sehr eigenartiges Gefühl, das ich bisher kaum kannte: Ich bin glücklich. Oder besser ausgedrückt: Ich bin zufrieden! Das ist wahrscheinlich ein noch seltenerer Zustand als glücklich zu sein. Hat der fertige Film noch etwas mit dem Drehbuch zu tun, das Sie einst geschrieben haben?
Aus dem ursprünglichen Drehbuch sind nur mehr sehr wenige Szenen im Film. Nach dem Erfolg des „Don Quixote“-Romans gab es ja schon zu Cervantes’ Zeiten Trittbrettfahrer, die seine Ideen kopierten. Einer schrieb unter dem Pseudonym „Avellaneda“eine Fortsetzung. Cervantes hat darauf mit seiner eigenen Fortsetzung reagiert, in der er sich über seinen Nachahmer lustig macht und ihn sogar in die Geschichte einbaut. Ist mein Eindruck richtig, dass Sie in Ihren Film viel mehr auf die von Cervantes geschriebene Fortsetzung Bezug nehmen, als auf den Originalroman?
Ich habe tatsächlich sehr viel aus dem zweiten Teil von Cervantes’ „Don Quixote“verwendet. Und während ich mich damit auseinandersetzte, habe ich erst begriffen, warum er in der Literaturgeschichte als „der erste moderne Roman“bezeichnet wird. Meiner Ansicht nach trifft diese Bezeichnung vor allem auf das zweite Buch zu. Ich habe bei der Lektüre des zweiten Bands viel über moderne Literatur, Kunst und Satire gelernt. Meine Reverenz darauf ist der Beginn als Film im Film. Mir hat die Idee sehr gefallen, dass eine Kunstfigur wie Don Quixote so berühmt wird, dass andere Autoren über ihn Geschichten schreiben. Bei Cervantes tritt er dann seinen Nachahmern gegenüber und sagt: „Haltet euer Maul! Jetzt bin ich wieder da und sage euch die Wahrheit über mich!“Das versuche ich auch mit meinem Film zu tun. Die Idee zu diesem Film ist Ihnen doch schon beim Lesen des ersten Buchs gekommen?
Ja, das war 1981 – also bevor ich den „Baron Münchhausen“drehte. Aber ich hatte damals einen deutschen Produzenten – und dem lag der deutsche Lügenbaron näher als der spanische Ritter. Sie haben sich für die optische Gestaltung Ihrer Filme immer von Gemälden inspirieren lassen. Im Kunsthistorischen Museum studierten Sie für „Brazil“die Bilder von Bruegel. Welche Künstler waren es diesmal?
Ich geniere mich fast, sie zu nennen, weil sie große Künstler sind, denen ich in keiner Weise das Wasser reichen kann. Die Gemälde, die ich nachempfinden wollte, sind von Francisco de Goya,