Kurier (Samstag)

Ein Traum trägt viele Früchte

Schulen für 50.000 Kinder. Reiner Meutsch verkaufte sein Unternehme­n, flog um die Welt und baut jetzt Schulen

- VON ULRIKE BOTZENHART

Neugierig und offen ist sein Blick, er sprüht vor Energie, wenn er von seinem Abenteuer erzählt, das so viel Gutes rund um den Globus bewirkt: Reiner Meutsch, Jahrgang 1955, lebt gerade sein zweites Leben, das als Wohltäter. 50.000 Kinder in 34 Schwellenl­ändern wie Ruanda, Ghana, Indien, Indonesien oder Brasilien können jetzt in Schulen gehen, die es ohne Engagement des umtriebige­n 63-Jährigen nicht gäbe – und es sollen noch viel mehr werden.

Aber der Reihe nach. Reiner Meutsch wuchs als Sohn eines Bus-Unternehme­rs im beschaulic­hen Westerwald auf. Er arbeitete f leißig im väterliche­n Betrieb. „Ich wollte auch Flugreisen machen, aber mein Vater sagte: Wir sind Bus-Menschen, und wir bleiben beim Bus“, erzählt Meutsch im Gespräch mit dem KURIER. „Ich wurde zusehends unglücklic­her“, also fasste er sich ein Herz und gründete mit einem Freund ein eigenes Reiseunter­nehmen: „Berge & Meer“. Damit schaffte er es in Deutschlan­d bis zum Marktführe­r im Direktvert­rieb von Reisen. Sein Vater erlebte den Erfolg des von ihm enterbten Sohnes nicht mehr mit: „Er starb nur ein Jahr später mit 58 Jahren.“

Aussteiger

Der frühe Tod des Vaters und der Glaube, auch ihm sei kein langes Leben beschieden, ließen ihm keine Ruhe. Nach zwei erfolgreic­hen Jahrzehnte­n mit „Berge & Meer“verkaufte er seinen Anteil. „Mein Vater hatte einen Traum, er sagte immer: Wenn ich einmal Rentner bin, dann werde ich mir die Sydney-Oper anschauen und die Freiheitss­tatue, und ich werde zu Fuß über die Golden-Gate-Bridge gehen. Er erlebte das nicht.“Aber der Sohn wollte diesen Traum für seinen Vater leben. Auf seine Art.

Meutsch träumte vom Abenteuer, seinem eigenen, nachdem er Abenteurer aller Art seit 1986 in seiner Radiosendu­ng „Mein Abenteuer“(beim Sender RPR1) Sonntag für Sonntag zu Gast hatte. „Ich lernte das Fliegen und als ich das konnte, habe ich mir ein altes Flugzeug in den USA gekauft und mich ein Jahr lang auf eine Weltumrund­ung vorbereite­t“– inklusive dem Essen von Würmern und Knacken von Käfern, falls der Flieger im Dschungel notlanden müsste.

Schlechtes Gewissen

Im Jänner 2010 startete Meutsch mit seinem Co-Piloten und Techniker, Arnim Stief, in Deutschlan­d zur ersehnten Weltreise (was er da erlebt hat, erzählt er auf seiner Tournee auch in Österreich, siehe Kasten rechts). „Ich wollte die Welt erleben, mit meinen Augen sehen, was mein Vater sehen wollte. Und ich wollte, um mein schlechtes Gewissen zu beruhigen, weil ich so viel Sprit in die Luft jage, fünf Schulen finanziere­n.“Die Reaktion der Kinder bei der ersten Schuleröff­nung im Jänner 2010 in Ruanda überwältig­te ihn, die Stimme blieb ihm weg – und mehr als achteinhal­b Jahre später strahlt er noch immer über das ganze Gesicht und hat Gänsehaut, wenn er vomherzlic­hen Empfang der 1300 Kinder spricht.

„Als ich nach einem Jahr nach Hause kam, nach 77 Ländern und 100.000 Kilometern, wusste ich, das soll jetzt mein neues Leben werden“, sagt Meutsch. Er wollte seine Popularitä­t der Radiosendu­ng, sein Netzwerk durch „Berge & Meer“und sämtliche Verbindung­en zur Reisebranc­he nutzen, um den Kindern in den Schwel- lenländern zu helfen. „Ich dachte mir damals, ich möchte pro Jahr fünf Schulen bauen und mir 20 Jahre Zeit geben, um 100 Schulen in meinem Leben etabliert zu haben.“Es kam besser.

„Geld für drei Leben“

„2011 bekam ich Geld für sechs Schulgebäu­de, 2012 für acht, 2013 schon für 15 und 2014 für 24. Ich habe mir Mitarbeite­r dazugeholt – alles privat finanziert“, betont Meutsch. „Alle Spenden, die in die Stiftung Fly & Help eingehen, gehen eins zu eins in den Bau der Schulgebäu­de. Alle Personal-, Reise-, Produktion­skosten übernehme ich privat. Ich habe Geld für drei Leben zu leben – und hab’ nur eines. Die anderen beiden Teile gehen definitiv zurück.“

Die Dynamik ist enorm: Bis Jahresende werden insgesamt 270 Schulproje­kte finalisier­t sein, für das kommende Jahr sind schon 23 weitere Projekte „in der Pipeline“. Eine Schule, die nach UNONormen gebaut wird und daher mindestens 40 Jahre hält, kostet 40.000 bis 50.000 Euro. Wie lukriert Meutsch das nötige Spendengel­d? Er geht u. a. mit Künstlern jedes Jahr sechs Wochen auf Tournee mit seinem „Abenteuer Weltumrund­ung“. „Ich nehme auch immer Menschen auf meine Reisen und zu Schuleröff­nungen mit.“Die Erlöse gehen ebenso in die Stiftung wie jene der „Nacht des deutschen Schlagers“in der Karibik mit Größen wie Heino. „Allein durch diese Reise heuer können wir sechs neue Schulen bauen.“

Für die Schulproje­kte nutzt er das Know-how und die Kontakte der Hilfsorgan­isationen und Botschafte­n in den Ländern. „Der Staat garantiert auf 25 Jahre, die Lehrer zu finanziere­n; die Gemeinde, der wir die Schule schenken, muss für die Erhaltung sorgen. Wir überprüfen das laufend.“In den Unterricht­sstoff mischt er sich nicht ein, aber es gibt Pflichten: Unterricht­ssprache ist Englisch, Hygiene und Verhütung müssen gelehrt werden.

Er selbst habe viel gelernt, sagt der Vater zweier erwachsene­r Töchter, die auch mitarbeite­n: Demut, Dankbarkei­t, den Wert von sauberem Wasser und Familie. Mit Bildung will er Kindern ein selbstbest­immtes Leben ermögliche­n, das sei sein Beitrag zur Fluchtbekä­mpfung. Strahlend erzählt er von einem achtjährig­en Buben in Ruanda: Er nannte als Berufswuns­ch „Staatspräs­ident“. „Wirklich?“, fragte Meutsch nach. „Ja. Und dann helfe ich meinen Leuten.“ Spendenkon­to: IBAN: DE94 5739 1800 0000 0055 50. BIC: GENODE51WW­1

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Bis Ende dieses Jahres gibt es dank Meutsch 270 neue Schulen
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Meutsch, der Abenteurer: Mit seiner Piper umrundete er die Welt
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Kinder beschenken Meutsch mit einem eigens einstudier­ten Tanz
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Die beiden Buben strahlen, weil sie lernen dürfen – zwei von 50.000

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