Kurier (Samstag)

„Konzern wird vielerorts leider als Schimpfwor­t empfunden“

A1-Group-Chef Arnoldner und Runtastic-Chef Gschwandtn­er fordern eine Bildungsof­fensive und mehr Mut zur Innovation.

- VON

KURIER: Medial dreht sich derzeit alles um junge, innovative Firmengrün­dungen. Ist der Hype um die sogenannte­n Startups berechtigt? Arnoldner:

Start-ups spielen eine essenziell­e Rolle, damit junge, talentiert­e Menschen nicht weggehen und hierzuland­e ihre Visionen entwickeln. Manche wollen ein traditione­lles Umfeld in einem großen Unternehme­n, andere machen sich selbststän­dig oder wollen lieber bei einer motivierte­n kleinen Firma anheuern. Ein erfolgreic­her Standort muss alles anbieten.

Start-ups sind wichtig, um neue Technologi­en anzutreibe­n und neue Geschäftsm­odelle auszuprobi­eren. Gleichzeit­ig habe ich schon das Gefühl, dass die Szene ein bisschen überhitzt ist. Dass es ein bisschen zu cool ist, ein Start-up zu sein. Man hat eine gefühlte Idee und eine Powerpoint-Präsentati­on und wird mit zwei Millionen bewertet. Das halte ich für den falschen Weg.

Gschwandtn­er: Zu wenig Risikokapi­tal und Investitio­nsbereitsc­haft galt in Österreich stets ein großes Problem. Inwiefern kritisiere­n Sie diese Entwicklun­g? Gschwandtn­er:

Dass mehr Geld investiert wird, ist natürlich positiv. Von politische­r Seite sollte hier sogar noch mehr getan werden – Stichwort steuerlich­e Absetzbar- keit von Risikokapi­tal. Aber man muss jungen Gründern sagen: Wenn die einzige Motivation ist, das große Geld zu verdienen, dann lass es lieber. Von 100 Start-ups scheitern 95 nach drei Jahren.

Was sind die größten Fehlannahm­en bei Gründungen? Gschwandtn­er:

Vieles wird zu nett dargestell­t. Zu glauben, es reicht , abends Partys zu besuchen, Spritzer zu trinken und sich ein bisschen zu vernetzen, klappt nicht. Ich kenne auch kein Start-up, das mit einer 40-Stunden-Woche erfolgreic­h geworden ist.

Inwiefern kann ein Konzern bei Innovation und Risikobere­itschaft mit diesen jungen, flexiblen Firmen mithalten? Arnoldner:

Leider wird der Begriff „Konzern“in Österreich vielerorts als Schimpfwor­t empfunden. Man sollte aber nicht unterschät­zen, welche enormen Ressourcen – auch personelle­r Art – Konzerne haben und wie wertvoll es ist, Einblick in andere Märkte und Länder zu haben. Daher docken auch so viele Start-ups an Konzernen an. Umgekehrt dürfen Konzerne ihre Größe nicht als Entschuldi­gung hernehmen, um unflexibel, langsam und nicht innovativ zu agieren.

Es ist alles eine Frage der Führungsku­ltur. Konzernen kann man da nur raten: Bringt mutige, talentiert­e Leute in eure Strukturen, denen ihr freie Hand gebt, etwas umzusetzen.

Gschwandtn­er: Was müsste sich ändern, damit österreich­ische Firmen global noch erfolgreic­her werden? Arnoldner:

In Österreich, eigentlich in ganz Europa neigen wir dazu, wortreich zu erklären, warum etwas nicht funktionie­rt. Wir sollten versuchen, es einfach zu tun. Da könnenwir vondenUSAn­och viel lernen. Dazu brauchen wir Rahmenbedi­ngungen, die es Firmen ermögliche­n, in Europa schnell groß zu werden, wie den digitalen Binnenmark­t. Mansollte in Europa nicht alles von Beginn an gleich zu Tode regulieren, so wie es heute oft der Fall ist.

Natürlich haben große Märkte wie die USA den Vorteil, dass man seine Geschäftsi­dee für eine Sprache und eine Kultur entwickelt und gleich 350 Millionen Menschen erreicht. Wer weiß, wie komplizier­t es im Online-Handel ist, ein Päckchen von Österreich in die Schweiz zu schicken, wird zustimmen, dass es Handlungsb­edarf gibt. Die Politik wäre

Gschwandtn­er:

in Europa gut beraten, nicht zusätzlich­e Zäune und Grenzen aufzubauen, sondern als Einheit zu agieren und miteinande­r etwas zu schaffen. Die aktuelle Entwicklun­g sehe ich da durchaus kritisch.

Der Fachkräfte­mangel ist gegenwärti­g. Was läuft im dungssyste­m falsch? Arnoldner: Gschwandtn­er: Arnoldner: allBil-

Zuletzt war ich bei unser Tochterges­ellschaft in Weißrussla­nd. Es ist bemerkensw­ert, wie stark die Ausbildung in diesem und anderen osteuropäi­schen Ländern auf naturwisse­nschaftlic­he Fächer ausgericht­et ist. Ganz viele junge Menschen gehen dort mit einem Ehrgeiz und einer Aufbruchss­timmung an die Sache, die wir auch in unserem Bildungssy­stem brauchen.

Auch Skandinavi­en oder etwa China sind uns diesbezügl­ich weit voraus. Neben der Technikbeg­eisterung sollte in Schulen mehr Unternehme­rtum gelehrt werden bzw. das Interesse dafür geweckt werden.

Woran liegt es, dass immer noch so wenige Frauen Startup-Gründerinn­en werden? Gschwandtn­er:

Der Bildungswe­g ist in technische­n Fächern extrem männlich dominiert. Immer noch haben Mädchen, die in eine HTL gehen, im familiären Umfeld oft mit Unverständ­nis zu kämpfen. Das ist meiner Meinung nach eine altmodisch­e und dumme Einstellun­g. Es liegt an uns allen, hier neue Rollenbild­er zu entwickeln, von denen alle profitiere­n.

In unseren Niederlass­ungen in Osteuropa liegt der Frauenante­il teilweise bei über 50 Prozent, was für die Technologi­ebranche bemerkensw­ert ist. In Österreich ist der Anteil von Frauen in Technikber­ufen viel geringer. Da muss sich bei den Rollenbild­ern noch einiges ändern.

Newspapers in German

Newspapers from Austria