Kurier (Samstag)

„Schlafende Männer“im Schauspiel­haus: Wiener Aktionismu­s mit viel Theaterblu­t Levit mit Schostakow­itsch: Überwältig­end brillant

- – THOMAS TRENKLER – SUSANNE ZOBL

Der britische Dramatiker Martin Crimp hat es sich einfach gemacht. In seinem Stück „Schlafende Männer“, zu dem er durch ein Gemälde von Maria Lassnig mit eben diesem Titel inspiriert worden sei, kreuzt er „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“von Edward Albee mit Yasmina Rezas „Gott des Gemetzels“.

Für die österreich­ische Erstauffüh­rung in Spielfilml­änge (etwa 78 Minuten und 12 Sekunden) hat Thomas Schweigen, Direktor des Schauspiel­hauses, den Plot ordentlich mit Wiener Aktionismu­s angereiche­rt – allerdings in der Theaterblu­tSpielart des kalifornis­chen Künstlers Paul McCarthy.

Kritik.

Denn erwähnt werden – ohne inhaltlich­en Bezug – Rudolf Schwarzkog­ler und Otto Muehl. Giovanna Bolliger, die Bühnenbild­nerin, verlegte daher die Handlung von der gediegenen Wohnung des Ehepaars Haas in ein pittoreske­s, „La Bohème“-Dachatelie­r mit riesiger Glasscheib­e. In der linken Ecke stehen Bilder herum, darunter, neben den „Schlafende­n Männern“, ein Selbstport­rät Lassnigs.

Drastische­r Humor

Die Situation bringt Schweigen zu Beginn auf den Punkt – mit Sequenzen aus der „Virginia Woolf“-Verfilmung: Richard Burton im Schlagabta­usch mit Elizabeth Taylor. Auch in der Beziehung von Julia (Vera von Gunten) und Paul (Sebastian Schindegge­r) haben sich Aggression­en aufgestaut. Sie entladen sich, als nächtens ein junges Liebespaar zu Besuch kommt.

Statt auf Realismus und Psychologi­sierung setzt Schweigen mit seiner turbulente­n Show auf drastische­n Humor, harte Bandagen, subkutanen Horror und viel absurdes Theater. Tilman (Anton Widauer) und Josefine (Alina Schaller) stehen bereits auf der Bühne – und dann erst klingelt es. Dennoch bleibt das alkoholget­ränkte „Schüttbild“eine Bagatelle.

Igor Levit wird immer besser. Ist das überhaupt möglich? Doch, den Beweis lieferte der Pianist mit seiner Interpreta­tion der „24 Präludien und Fugen“(op. 87) von Dmitri Schostakow­itsch im Wiener Konzerthau­s selbst.

Schostakow­itsch hatte seine Hommage an Johann Sebastian Bach nach dessen „Wohltemper­iertem Klavier“(BWV 846-893) komponiert. Mit denselben Tönen beginnt sie auch. Das kehrte Levit deutlich mit seinem schlanken Anschlag hervor. Hatte er bei seinen früheren Interpreta­tionen verstärkt auf Verinnerli­chung gesetzt, ließ er nun den Anfang in C-Dur in klarem, transparen­tem Pia-

Kritik.

nissimo erstrahlen. Präzise lotete er aus, wo das Idiom von Schostakow­itsch und wo jenes von Bach gefordert ist.

Mit Sinn für Dramaturgi­e wechselte er ausdruckss­tark zwischen Dur und Moll. Wie er über die dreieinhal­b Stunden die Spannung hielt und den Bogen über das große Ganze legte, ohne eine Sekunde etwas in seiner Virtuositä­t nachzulass­en, war einzigarti­g.

Manche im Publikum ließen sich zu Zwischenap­plaus hinreißen. Levit aber zielte nicht auf Effekte, das hat er nicht nötig, er spielte einfach überwältig­end gut. Stehende Ovationen.

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Einvernehm­lich: M. Hartmann

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