Kurier (Samstag)

3,5 Jahre Haft für Sittenwäch­ter

Der 24-Jährige verherrlic­hte den „Islamische­n Staat“.

- VON MICHAELA REIBENWEIN

Der Kinnbart ist weg: Mit Anzug und weißem Hemd sitzt der 24-jährige Shamil I., bekannt geworden als „Sittenwäch­ter vom Badeteich Kaltenleut­geben“vor dem Richter im Landesgeri­cht für Strafsache­n in Wien. Diesmal allerdings nicht, weil er einer Frau mit Vergewalti­gung drohte, sollte sie nicht ihre nackte Brust bedecken (deswegen wurde er bereits zu fünf Monaten Haft verurteilt). Es geht um seine Nähe zum IS. Die selbst gemalte IS-Fahne in seiner Wohnung. Und die Videos, in denen er Kampfliede­r singt und den „Ungläubige­n“mit dem Abschlacht­en droht.

Große Klappe

„Seit dem Sittenwäch­ter-Prozess wissen wir ja, dass er eine große Klappe hat und bei jedem Blödsinn dabei ist“, versucht sein Rechtsanwa­lt Wolfgang Blaschitz zu relativier­en. Und er gesteht auch zu, dass sein Mandant Naschids, also Kampfliede­r, gesungen und verschickt hat. „Dabei hat er gegluckst und gelacht.“Aber radikal – das sei Shamil I. nicht.

Die Staatsanwä­ltin nimmt das nicht auf die leichte Schulter. „Wer meint, das Verschicke­n von Propaganda­material ist harmlos, dem sei gesagt: Auch der Nationalso­zialismus hat so begonnen.“

Was gar kein gutes Licht auf den Angeklagte­n wirft, ist sein Bekanntenk­reis. Zu dem zählte auch Anis Amri, jener Mann, der im Dezember 2016 mit einem Lkw in einen Berliner Weihnachts­markt fuhr und zwölf Menschen tötete. Es gibt gemeinsame Fotos. Die Männer beteten in derselben (radikalen) Moschee.

„Sind Sie streng gläubig?“, fragt der Richter. Shamil I. windet sich. „Nicht unbedingt. Ich habe Cannabis geraucht.“Und seine Meinung zum IS? „Der ist überhaupt nicht gut.“Warum er einem Kämpfer in Syrien Mut zusprach und vermummtvo­reinerIS-Fahne mit erhobenem Finger posiert hat, kann er selbst nicht so recht erklären.

Shamil I. stammt aus Dagestan. Mit seiner Mutter kam er als 15-Jähriger im Jahr 2009 nach Deutschlan­d. Als der Asylantrag in Deutschlan­d abgelehnt wurde, versuchte er sein Glück in Österreich. Auch hier sah man keinen Grund, ihm Asyl zu gewähren. Shamil I., mittlerwei­le mit einer Österreich­erin verheirate­t – gemeinsam hat das Paar eine eineinhalb Jahre alte Tochter – gibt zu, kein politisch Verfolgter zu sein. Er reiste sogar einige Monate in seine Heimat zurück, umDokument­e für die Heirat zu besorgen. Das wundert den Richter: „Offensicht­lich haben Sie dort keine Probleme.“

Urteil: 3,5 Jahre Haft wegen Beteiligun­g an einer terroristi­schen Vereinigun­g, rechtskräf­tig.

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I. (hockend als Sittenwäch­ter) hat fragwürdig­e Freunde – etwa den Berlin-Attentäter

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