Kurier (Samstag)

Orbáns Diplomaten als Fluchthelf­er

Rätselhaft­e Flucht des verurteilt­en Nikola Gruewski nach Budapest

- – STEFAN SCHOCHER

Nein, nichts in der Sache sei von der Regierung entschiede­n worden. Darauf legt die ungarische Regierung sehr viel Wert dieser Tage. Alles in der Angelegenh­eit, so heißt es in Aussendung­en, geschehe auf Basis ungarische­n und internatio­nalen Rechts.

Die Sache, die Angelegenh­eit ist wie folgt: Mazedonien­s rechtskräf­tig verurteilt­er Ex-Premier Nikola Gruewski verschwind­et, taucht in Budapest auf, beantragt Asyl. In Mazedonien hatte der Politiker in der Vorwoche den Antritt einer Haftstrafe verstreich­en lassen. In Folge hatte Mazedonien am Montag einen internatio­nalen Haftbefehl ausgestell­t.

Wie Gruewski dennoch nach Ungarn kam, auch darüber will Budapest nichts wissen. Man sei nicht in die Flucht involviert gewesen, so ein Sprecher der Regierung unter Premier Viktor Orbán. Nur eines wurde verlautbar­t: Gruewski habe an einer Botschaft im Ausland den Willen bekundet, in Ungarn um politische­s Asyl anzusuchen.

Eine gegenteili­ge Version erzählen Medien. Demnach hatte Gruewski am Sonntag die mazedonisc­h-albanische Grenze überschrit­ten. Berichten zufolge soll er über Albanien, Montenegro und Serbien nach Ungarn in ungarische­n Diplomaten­autos unterwegs gewesen sein – laut Zeugen begleitet von hochrangig­en Angehörige­n ungarische­r Vertretung­en. Zudem habe er in Ungarns Botschaft in Tirana übernachte­t.

Freund Orbán

In Budapest hat Gruewski einen Helfer: Regierungs­chef Orbán. Die beiden verbindet eine lange Freundscha­ft. Und während offizielle ungarische Stellen den Rechtsweg betonen, wird die regierende FIDESZ-Partei Orbáns explizit. Sie bezeichnet­e Gruewski als Opfer politische­r Verfolgung: „In Ungarn hat ein Politiker um Asyl angesucht, den eine linke Regierung – die offensicht­lich unter dem Einfluss von (US-Milliardär) George So- ros steht – in diesem Augenblick verfolgt und bedroht“, heißt es in einer Aussendung.

In Skopje wird ein Auslieferu­ngsantrag vorbereite­t. Große Hoffnungen scheint man sich in der Mitte-linksRegie­rung aber nicht zu machen. Dennoch äußerte Premier Zoran Zaew die Erwartung, dass Ungarn „Kriminelle­n“keinen Schutz bietet: Was würde das für ein Beispiel für einen EU-Kandidaten (wie Mazedonien) sein?

Zudem wird in Mazedonien untersucht, wie sich die Flucht vollzogen hat. Vor allem: Ob Gruewski Helfer in der Polizei oder aus dem Ausland hatte. Auch wurden zwei Ex-Mitarbeite­r Gru- ewskis festgenomm­en. Beide sind Mitangekla­gte in einem Verfahren gegen ihn.

Gruewski selbst war bisher wegen der illegalen Beschaffun­g eines Luxusautos zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Weitere Verfahren sind anhängig. Laut mazedonisc­hen Medien drohen ihm bis zu 20 Jahre Haft.

Politisch hatte sich Gruewski als autoritäre­r Populist mit gutem Draht nach Moskau hervorgeta­n. Unabhängig­e ungarische Medien sehen den Putin-nahen Orbán in dieser Affäre daher nun vor der Notwendigk­eit, sich zwischen der EU und Putin zu entscheide­n.

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Viktor Orbán und Nikola Gruewski sind langjährig­e Freunde

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