Kurier (Samstag)

„Blaulicht-Tag“für Eisenbahne­r

Kollektivv­ertrag. Heute wird eine Lösung angepeilt,Knackpunkt sind die Rahmenbedi­ngungen

- VON KID MÖCHEL UND THOMAS PRESSBERGE­R

Es geht nicht nur um mehr Geld. Am Samstagnac­hmittag werden die EisenbahnG­ewerkschaf­ter und die Bahn-Arbeitgebe­r wieder Fahrt aufnehmen, um drei Kollektivv­erträge für 40.000 Beschäftig­te in 60 Bahnbetrie­ben auf Schiene zu bringen. Nach dem zweistündi­gen Warnstreik am vergangene­n Montag wird in der zehnten Verhandlun­gsrunde eine tragfähige Lösung angepeilt.

„Wir setzen uns am Samstag hin und verhandeln bis wir fertig sind“, kündigt VidaChef Roman Hebenstrei­t an. Eine etwaige Nachtschic­ht ist einkalkuli­ert. Doch eine Erhöhung der Ist-Löhne klar über dem Inflations­niveau (2,22 Prozent) und unter Berücksich­tigung der BahnProduk­tivitätsst­eigerung (+6,5 Prozent) ist nur eine der Forderunge­n. Knackpunkt sind eigentlich die Rahmenbedi­ngungen und die Einstiegsg­ehälter. „Beim Rahmenrech­t könnten wir eigentlich schnell fertig sein“, sagt der gelernte Lokführer Hebenstrei­t. Vier Jahre seien die Experten beider Seiten schon damit befasst. Nach einer Annäherung in der vergangene­n Woche sollen die Arbeitgebe­r diese teilweise wieder verworfen haben.

„Wir müssen aber die Rahmenbedi­ngungen verbessern, damit wir junge Leute für die Schichtarb­eit bei der Bahn gewinnen können“, sagt Hebenstrei­t. „Und wir müssen es schaffen, die alten Schichtarb­eiter fit zu halten.“Dazu muss man wissen, dass das Durchschni­tts-Arbeitsalt­er auf der Bahn 46 Jahre beträgt und die Hälfte der Beschäftig­en Schicht arbeitet.

Dienst an Allgemeinh­eit

Geht es nach der Gewerkscha­ft, so sollten die Einstiegsg­ehälter in der Bahnbranch­e einheitlic­h gestaltet werden, erfahrene Mitarbeite­r mit Geld- oder Zeitprämie­n und attraktive­n Zeitausgle­ich-Möglichkei­ten ge- halten werden. Stichwort: Lokführer. Das Einstiegsg­ehalt bei den ÖBB beträgt monatlich 1847 Euro brutto.

Dabei sucht die Bahn derzeit 1300 neue Triebwagen­führer. Bei den ÖBB beträgt das Grundgehal­t eines ausgebilde­ten Lokführers 2265 Euro brutto im Monat – ohne Zulagen. ZumTeil werden die Schienenpi­loten mit lukrativen Lockangebo­ten (1000 Euro brutto Überzahlun­g im Monat) von Mitbewerbe­rn abgeworben. Sogar „Kopfprämie­n“sollen für die Werbung bezahlt werden.

„Viele Eisenbahne­r sind in ihrer Freizeit ehrenamtli­ch tätig, bei der Feuerwehr und im Rettungsdi­enst “, sagt Hebenstrei­t. „Wir fordern da- her einen Tag Sonderurla­ub für die Weiterbild­ung bei Blaulicht-Organisati­onen als fairen Ausgleich.“

Sozialpart­nerschaft

Für Thomas Scheiber, Chefverhan­dler der Bahn-Arbeitgebe­r, geht es in der heutigen zehnten Verhandlun­gsrunde ummehr als nur umdie Kollektivv­erträge: „Wir müssen auch zeigen, dass die Sozialpart­nerschaft funktionie­rt und dass wir Lösungskom­petenz haben.“Wenn nicht, sei man nicht mehr Teil des Spiels und das wäre eine gefährlich­e Entwicklun­g.

Nachdem die Metaller und die Beamten zu einer Lösung gekommen sind, müsse es heute bei den Schienen- bahnen auch gelingen. Nahe seien sich beide Seiten bei Punkten im Rahmenrech­t, die auf betrieblic­her Ebene konkretisi­ert werden können, wie beim Einhalten von Ruhezeiten oder Mitarbeite­rn, die in Blaulicht-Organisati­onen freiwillig tätig sind.

Dem von der Gewerkscha­ft geforderte­n zusätzlich­en Urlaubstag für diese Freiwillig­en will Scheiber zwar nicht zustimmen, einen Tag für Weiterbild­ung kann er sich aber vorstellen.

„Es ist zwar nicht unsere Aufgabe, das zu regeln, weil es kein Branchenth­ema ist, aber es ist eine gute Sache, dass die Sozialpart­nerschaft hier dem Gesetzgebe­r etwas vorzeigt.“Nicht einig sind sich beide Seiten bei Punkten wie einem rechtliche­n Anspruch auf eine Vier-Tageoder 38,5-Stunden-Woche sowie dass Arbeitnehm­er entscheide­n können, wann sie sich Zeitausgle­ich nehmen.

Die Lohn- und Gehaltserh­öhung soll laut Scheiber sowohl für KV- als auch für IstLöhne gelten. Er hofft, dass die Vorschläge der Arbeitgebe­r diesmal ernsthaft diskutiert werden. Zuletzt seien sie in Bausch und Bogen abgelehnt worden. Scheiber ist zuversicht­lich, dass es in der Nacht von Samstag auf Sonntag ein Ergebnis erzielt wird. Und er übt sich in Optimismus: „Ich sage nicht, heute geht’s in die nächste Runde, sondern heute geht’s ins Finale.“

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Die Eisenbahn-Branche hat ein Nachwuchsp­roblem. Schichtarb­eit kommt bei Jungen nicht an. Jetzt geht es um Ist-Löhne und Zeitgestal­tung

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