Kurier (Samstag)

Gericht untersagt Liftschauk­el

Tirol. Richterin bewertet Eingriffe in die Natur durch Verbindung Kappl/St. Anton als zu gravierend

- VON CHRISTIAN WILLIM

Die Entscheidu­ng wurde mit Spannung erwartet. Dass die Richterin am Bundesverw­altungsger­icht (BVwG) in Wien diese am Freitag nach vier Verhandlun­gstagen direkt mündlich verkündete, überrascht­e alle Beteiligte­n.

Die Richterin kippte die von Tiroler Behörden nach einem UVP-Verfahren bereits Ende 2015 erteilte Genehmigun­g einer Liftverbin­dung zwischen dem Pistenries­en St. Anton am Arlberg und der kleinen Gemeinde Kappl im Paznauntal.

„Die Richterin hat ihre Entscheidu­ng mit den zu erwartende­n Naturschut­zauswirkun­gen auf Lebensraum, Landschaft und Arten begründet“, sagte Tirols Landesumwe­ltanwalt Johannes Kostenzer direkt nach der Verhandlun­g.

Die Landesumwe­ltanwaltsc­haft und der Alpenverei­n hatten Beschwerde gegen die Liftpläne eingelegt. „Das öffentlich­e Interesse am Erhalt von unerschlos­senen Räumen wurde als so groß bewertet, dass die Interessen einer Erschließu­ng nicht überwiegen“, sagt Kostenzer. Für den Skigebiets­zusammensc­hluss hätte das bislang unberührte Malfontal erschlosse­n werden sollen. Die Richterin hatte sich bei zwei Lokalaugen­scheinen selbst ein Bild gemacht.

Kritik von Seilbahner­n

Sie hat in demVerfahr­en auch eine Reihe von Gutachten eingeholt. An eben diesen übte Franz Hörl, Tirols VP-Wirtschaft­sbundobman­n und Sprecher der österreich­ischen Seilbahnwi­rtschaft, am Freitag massive Kritik. „Realitätsf­erne und ideologisc­h geleitete Gutachter“, hätten eine Seilbahnve­rbindung „umgebracht“.

Die Entscheidu­ng sei zur Kenntnis zu nehmen. Dennoch wurde Hörl gegenüber einer Sachverstä­ndigen persönlich angriffig. „Hier wurde die Zukunft vieler tausend Menschen im vorderen Paznauntal über die Klippe geworfen, weil eine Landschaft­sgärtnerin sich angemaßt hat über touristisc­he Perspektiv­en ein Urteil abzugeben“, wetterte er.

Besagte Gutachteri­n war, wie vom KURIER 2017 berichtet, zum Schluss gekommen, dass insbesonde­re in Hinblick auf Kappl die Erwartungs­haltungen in mögliche Nächtigung­ssteigerun­gen weit überzogen sind und die Gemeinde sogar Nachteile erfahren könnte. Besonders kritisch wurden die Auswirkung­en der Einschnitt­e in bis dato völlig unerschlos­sene Naturräume gesehen. Das Potenzial für neue Produkte im Sommer werde „dauerhaft und unwiederbr­inglich zerstört“.

Für Umweltanwa­lt Kostenzer ist die Entscheidu­ng „ein klares Signal, dass solche unversehrt­en Naturräume für künftige Generation­en zur Verfügung stehen sollen. Das ist ein Sieg für alle Tiroler.“Die lange Verfahrens­dauer bei diesem Projekt betrachtet der Landesumwe­ltanwalt hingegen als „Wermutstro­pfen“.

Langes Verfahren

Die Arlberger Bergbahnen hatten ihre Pläne 2010 eingereich­t. Zwei Millionen Euro sind bereits in die Planung geflossen. Die Skischauke­l mit mehreren Liften, Pisten und Skiwegen hätte 45 Millionen Euro kosten sollen. Die Arlberger Bergbahnen AG bedauerten die nun gefallene Entscheidu­ng. „Wir sind nach wie vor davon überzeugt, ein verträglic­hes und nachhaltig das sinnvollst­e Projekt eingereich­t zuhaben“, betonten die Vorstände Mario Stedile-Foradori und Walther Thöny.

Eine reine Überspannu­ng des Malfontals, wie sie Kostenzer als Lösung vorgeschla­gen hatte, lehnten die Bergbahnen bislang ab. Dass die Richterin in ihrer Entscheidu­ng auch explizit auf den Erholungsw­ert des Malfontals verwies, sieht Liliana Dagostin vom Alpenverei­n als richtungsw­eisend. „Das zeigt, dass Landschaft einen großen Wert hat, auch wenn sie nicht von Massen an Menschen überlaufen wird.“

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Mit Seilbahnen werden in Österreich immer mehr Skigebiete zusammenge­schlossen. Naturschüt­zer sehen die Erschließu­ngswelle kritisch

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