Skandal-Asylquartier wird nach Protesten zugesperrt
Drasenhofen. Mikl-Leitner rügt FPÖ-Landesrat: „Stacheldraht hat da nichts verloren“
„Wir brauchen jetzt Alarmanlagen, damit wir unsere Ruhe haben.“Frau Horak Pensionistin „Einen Stacheldraht braucht es nicht, lediglich vernünftige Gesetze.“Herr Grill Pensionist
Nach Protesten auf verschiedensten Ebenen ging am Freitagnachmittag plötzlich alles ganz schnell. Die niederösterreichische Kinder- und Jugendanwaltschaft hatte sich ein Bild vom umstrittenen Asyl-Quartier in Drasenhofen (Bezirk Mistelbach) gemacht und kam zu einem vernichtenden Urteil: „Aus jugendrechtlicher Sicht ist es im derzeitigen Zustand nicht geeignet.“Und: „Der Stacheldraht ist jedenfalls mit Jugendrechten nicht vereinbar und unverzüglich zu entfernen.“Die Jugendlichen seien aus Drasenhofen „bis zur Herstellung eines geeigneten Zustands zu verlegen“.
Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zog daraufhin die Bremse: „Ich danke der Kinder- und Jugendanwältin für die genaue Prüfung. Ihre Empfehlungen sind unverzüglich umzusetzen. Ich habe den zuständigen Landesrat informiert und mit der Bezirkshauptfrau ge- sprochen, die die entsprechenden Maßnahmen sofort einleiten wird“, erklärte sie.
Noch am Vormittag hatte sie Waldhäusl gerügt: „Für mich ist klar, das ist kein Gefängnis und da hat ein Stacheldraht nichts verloren.“Ihr sei wichtig, dass die Flüchtlinge gut untergebracht sind. Sie kündigte auch eine Behandlung des Themas in der Regierungssitzung am Dienstag an.
Die Überstellung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge wurde nur wenig später eingeleitet. Noch am Freitag verließen alle Jugendlichen Drasenhofen. Einige kehrten in ihre bisherigen Quartiere zurück, neun weitere wurden in einer Caritas-Einrichtung in Maria Enzersdorf aufgenommen.
Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ), auf dessen Idee das Quartier mit Wachhund und beschränktem Ausgang beruht, sprach am Freitag noch davon, die Mängel zu beheben. Die Liste der Kinder- und Jugendan- waltschaft liege dem Büro vor. Diese seien jedoch „nicht weltbewegend“– es gehe nur um kahle Wände, veraltete Laminatböden und ein verschmutztes WC. Vom Stacheldraht sei keine Rede.
Heftige Kritik am AsylQuartier kam am Freitag von SPÖ, NEOS, Jetzt (vormals Liste Pilz) und Caritas. SPÖIntegrationssprecherin Nurten Yilmaz sprach von einer „Schande für Österreich“. FPÖ-Verkehrsminister Norbert Hofer hielt das AsylQuartier zu Mittag noch für gesetzeskonform.
Am Freitagabend zeigte man sich bei der Caritas erleichtert.
Lokalaugenschein
Der Bürgermeister von Drasenhofen, Reinhard Künzl (ÖVP), bezeichnete die Unterkunft bereits Anfang der Woche als „Armutszeugnis für Österreich“. „Es befindet sich direkt nach dem Grenzübergang. Wenn man nach Österreich kommt, sieht man als Erstes diesen Zaun“, meinte er. Dieser Zaun war es auch, der den Bewohnern des 1000-Seelen-Ortes sauer aufstieß. Denn Tenor in Drasenhofen: Der Stacheldraht sei übertrieben, aber es sei schon gut, dass die Jugendlichen weggesperrt würden. In Drasenhofen sollte es aber nicht sein.
Eine Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, erzählt im Gasthaus: „Drasenhofen war immer am Ende der Welt. Sie haben uns mit der Autobahn sitzen lassen und jetzt setzen sie uns auch noch das daher.“Christoph Grill (73) wird direkter: „Das sind Gauner, keine Flüchtlinge im herkömmlichen Sinne. Die haben sich daher gestohlen und jetzt haben wir sie im Gnack.“Einen Stacheldraht brauche es trotzdem nicht, lediglich vernünftige Gesetze.
2015 hatten die Behörden schon einmal Flüchtlinge in dem Quartier außerhalb von Drasenhofen direkt an der tschechischen Grenze untergebracht. Damals waren es 60 – ausschließlich Familien. Das Zusammenleben funktionierte damals gut, schildert Künzl. Die Bewohner brachten Essen und Gewand. Ein Nachbar erzählt: „Da gab es überhaupt keine Beanstandungen, es waren alle sehr freundlich“, sagt Franz Axter (62).
Doch mittlerweile ist die Stimmung gekippt. Viele fürchteten sich vor den jungen Bewohnern. „Wir brauchen jetzt Alarmanlagen“, sagt etwa das Ehepaar Horak (70). Der Pensionist Grill ist einmal richtig wütend geworden: „Ich bin mit demAutogekommen und da sind welche mitten auf der Straße gegangen und haben mich provokant angeschaut.“
Zu richtigen Konfrontationen kam es bisher aber nicht. Im Ö1-Morgenjournal hatte Waldhäusl noch gemeint, dass der Zaun für beide Seiten da sei – so auch zum Schutz der Flüchtlinge vor den Bewohnern. Die Aussage bezeichneten die Drasenhofner als „Blödsinn“.