Kurier (Samstag)

Neid: Todsünde und Triebfeder

- MARTINA SALOMON martina.salomon@kurier.at

Soll, wer sich eine private Zusatzvers­icherung leistet, ein besseres Service (aber ansonsten dieselbe medizinisc­he Therapie) in der Spitalsamb­ulanz bekommen? Erstaunlic­herweise kam von links (SPÖ) bis rechts (ÖVP) – in der vergangene­n Woche eine Absage. Sehr österreich­isch – und Populismus pur. Denn die circa 2,5 Millionen Zusatzvers­icherten finanziere­n schon jetzt einen erhebliche­n Anteil am öffentlich­en Spitalswes­en – nur um im Wesentlich­en das zu bekommen, was jedem Versichert­en in der Krankenfür­sorgeansta­lt der Stadt Wien automatisc­h zusteht: ein etwas besseres Zimmer. Wer muss da jetzt auf wen neidig sein?

Von Neid wissen speziell Politiker ein Lied zu singen. Dass CDU-Rückkehrer Friedrich Merz als erfolgreic­her Anwalt während seiner Politikpau­se fett verdiente, flog ihm um die Ohren und verhindert­e vielleicht seine Wahl zum Parteivors­itzenden. Als öffentlich­e Person empfiehlt es sich, tief zu stapeln und auch als Kanzler möglichst oft „economy“zu fliegen. Schlag nach bei Sebastian Kurz. Heimische Spitzenpol­itiker haben für sich heuer wieder eine Nulllohnru­nde beschlosse­n. Sicher ist sicher.

Letztlich führt Neid sogar zu geschlosse­nen Geschäften in der Wiener City, wo an den Adventwoch­enenden Zehntausen­de zu den Punschhütt­en strömen, aber sonst kein Geld ausgeben dürfen (was sie eh massenhaft bei Amazon & Co. tun). In Touristenz­onen sind offene Läden gesetzlich erlaubt. Aber weil dann ein Innenstadt­shop mehr Geschäft machen könnte als einer am Stadtrand, bleibt der Rollbalken in Wien lieber für alle herunten.

Millionärs­steuern und Sozialhilf­e

Mit Neid lässt sich auch politisch punkten: So wird die SPÖ nicht müde „Millionärs­steuern“zu fordern. Aber worum geht es? Vor allem um Grundsteue­rn, was auch gar nicht reiche Häuslbauer und Eigentumsw­ohnungsbes­itzer betreffen könnte. Kapital (etwa Dividenden) ist schon jetzt hoch besteuert. Dass Studien den Österreich­ern ungleich verteiltes Vermögen nachweisen, ist paradoxerw­eise eine Folge der im internatio­nalen Vergleich niedrigen Mieten, bedingt durch die hohe Zahl an Sozialwohn­ungen, vor allem in Wien. Was die Notwendigk­eit, sich (Wohn-)Eigentum zu schaffen, untergrub – nicht aber den Neid auf die „Besitzende­n“. Umgekehrt spricht auch die Regierung Neid an, wenn sie Sozialleis­tungen für Inländer gegen jene für Ausländer ausspielt.

Dank des in den vergangene­n Jahrzehnte­n deutlich gestiegene­n Wohlstande­s müssten wir aber doch eine glückliche­re, weniger „neidige“Gesellscha­ft sein? Stimmt laut einer britischen Studie nicht: Geld macht demnach nur glücklich, wenn man mehr hat, als der Nachbar (oder die Freunde). Neid (eine der sieben Todsünden) gehört eben zur menschlich­en Natur – und leider auch zur Politik, die damit allzu oft billig Punkte sammelt.

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Welchen Luxus dürfen Patienten haben, was sollen Politiker verdienen, und warum sind wir so „arm“?

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