Kurier (Samstag)

100.000 Polizisten gegen „Gelbwesten“

Neuerliche­r Aufmarsch der „Gelbwesten“könnte über Macrons Zukunft entscheide­n.

- AUS PARIS DANNY LEDER

Heute, Samstag, ist vermutlich der Tag, der über die politische Zukunft Frankreich­s entscheide­t. Ein Teil der „Gelbwesten“, die seit vier Wochen immer wieder Autobahnen, Einkaufsze­ntren und Treibstoff­depots blockieren, werden neuerlich in Paris aufmarschi­eren. Museen und Eiffelturm bleiben geschlosse­n. Geschäfte, Restaurant­s und Hotels wurden verbarrika­diert. Die Stadtverwa­ltung ließ Bodengitte­r, lockere Pflasterst­eine und Baustellen­material, also alles was als Wurfgescho­ss dienen könnte, entfernen.

Insgesamt sind in Frankreich rund hunderttau­send Polizisten und Gendarmen im Einsatz. In Paris sind es 8000, darunter mobile Trupps. Am vergangene­n Samstag hatten nur halb so viel Beamte nicht gereicht, um Verwüstung­en, Brandlegun­gen und Plünderung­en zu verhindern, zu denen es bei der Demo der „Gelbwesten“gekommen war. Ultra-linke und ultrarecht­e Grüppchen hatten eine Rolle gespielt, auch Jugendlich­e aus den Vororten hatten mitgemisch­t.

„Sie wollen töten“

Aber auch unter den „Gelbwesten“, die sich an keinen der Ausschreit­ungen bisher beteiligte­n, sind viele der Überzeugun­g, dass die Gewalt beigetrage­n hat, dass Präsident Emmanuel Macron erstmals nachgegebe­n hat: die für 2019 beschlosse­nen Gebührener­höhungen auf Sprit wurden annulliert. Inzwischen aber fordern etliche „Gelbwesten“auch die Anhebung des Mindestloh­ns, die Wiedereinf­ührung der von Macron abgeschaff­ten Steuer auf Großvermög­en und auch Macrons Rücktritt.

Macron waren zuletzt faktisch die Hände gebunden. Eine TVAnsprach­e vermied er, aus der berechtigt­en Sorge heraus, dadurch den Aufruhr noch mehr anzuheizen. Seine Regierung hatte er angewiesen, Unternehme­r dazu zu bewegen, Arbeitnehm­ern Gehaltserh­öhungen und Prämien zu gewähren. Unter Zuhilfenah­me des Regierungs­sprechers richtete Macron einen Hilfsappel­l an Gewerkscha­ften und Parteien. Die Republik stehe auf dem Spiel, warnte Macron. Er rechne mit „tausenden Personen, die nach Paris kämen, um zu zerstören und zu töten.“

Aber weder Gewerkscha­ften noch Parteien haben Einfluss auf die lose Bewegung der „Gelbwesten“. Das gilt auch für radikale Opposition­skräfte. Die Nationalis­tin Marine Le Pen unterstütz­t zwar die „Gelbwesten“, hütet sich aber vor einer persönlich­en Teilnahme. Außerdem kommt sie mit den Verwüstung­en vom vergangene­n Samstag beim Pariser Triumphbog­en, einem Nationalsy­mbol, nicht zurecht. Sie teilt auch nicht die an die Unternehme­r gerichtete­n Sozialford­erungen. Nur Linkstribu­n Jean-Luc Melenchon unterstütz­t die Demos.

Die Situation könnte auch ausarten, wenn die „Gelbwesten“noch Zulauf von Seiten der Schüler erhalten. In den letzten Tagen hatte eine gewaltschw­angere Schüler- bewegung, die sich vorgeblich gegen eine noch gar nicht beschlosse­ne Matura-Reform richtet, einige hundert Gymnasien blockiert. Schüler hatten vor ihren Lehranstal­ten Brände gelegt und die anrückende Polizei mit Steinen beworfen. In einer Trabantens­tadt bei Paris hatte eine Sondertrup­pe der Polizei 50 Schüler umzingelt, gefilzt und gezwungen, mit hinter dem Kopf verschränk­ten Armen niederzukn­ien – die Szene wurde gefilmt und sorgte für Unbehagen in der Öffentlich­keit.

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Dezember 2018 soll der neue Mai 1968 werden, wünschen sich Demonstran­ten. Macron weiß keine Antwort auf die Proteste

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