Kurier (Samstag)

Öko- Lobbys und Regierung: eine Baustelle

Türkis-Blau beschleuni­gt Umweltverf­ahren, sehr zum Ärger der NGOs

- VON ANDREAS PUSCHAUTZ

Die heimische Zivilgesel­lschaft ist „eingeengt“: Das behauptet das globale Netzwerk „Civicus“– und stufte Österreich deswegen in seinem jährlichen Offenheits-Monitoring ab.

Aber stimmt das? Werden die Rechte engagierte­r Bürger unter Türkis-Blau eingeschrä­nkt? Sind die NGOs deswegen am Abstellgle­is?

Gleich vorweg: So weit sind wir noch nicht. Aber der Bruch mit der Konsensdem­okratie sozialpart­nerschaftl­icher Prägung macht vor keinem Bereich halt. Insbesonde­re nicht auf dem Gebiet des Umweltschu­tzes. In keinem anderen Sektor standen NGOs in den vergangene­n Monaten derart unter Druck.

Erst stellte Türkis-Blau das umstritten­e Standorten­twicklungs­gesetz vor, das am Freitag den Wirtschaft­sausschuss passierte (siehe unten). Dann folgte die Novelle zur Umweltvert­räglichkei­tsprüfung, die die Mitwirkung­s- rechte von Umweltschü­tzern einschränk­t.

Die Regierung argumentie­rt, Genehmigun­gsverfahre­n müssten schneller werden. Es könne nicht sein, dass es wie im Fall des Grazer Murkraftwe­rks Jahre dauere, bis UVP-Verfahren abgeschlos­sen werden, das sei wirtschaft­sfeindlich.

Das große Ganze

So sieht das auch Josef Kalina. Der PR-Berater war beim Murkraftwe­rk engagiert. Im KURIER-Talk fordert er, „das große Ganze in den Mittelpunk­t zu stellen“. Bei jedem Projekt gebe es jemanden, der es verhindern wolle. Man könne nicht für erneuerbar­e Energie sein, aber gleichzeit­ig Wasserkraf­twerke, Windparks und Stromleitu­ngen bekämpfen. Die Genehmigun­gen dauerten viel zu lange, meint Kalina.

Umweltschü­tzerinnen wie Leonore Gewessler von Global 2000 spielen den Ball zurück: Vor allem unvollstän­dige Unterlagen der Projektwer­ber seien an den langen Verfahren schuld. Liegen alle Unterlagen vor, dauern UVP-Verfahren im Schnitt nur zehn Monate, bestätigt auch der UVP-Bericht 2018 des Umweltmini­steriums.

Nicht nur auf inhaltlich­er Ebene treten die Konfliktli­nien hervor. Auch die Atmosphäre zwischen Ministerie­n und NGOs ist schlecht wie nie – monieren zumindest Letztere. „Es wird versucht, die Organisati­onen auf allen Ebenen zu schwächen, teilweise auch zu schikanier­en, weil unsere Anliegen mit der Agenda der Regierung nicht kompatibel sind“, sagt Hanna Simons vom WWF. Mit früheren Regierunge­n habe man „konstrukti­v streiten“können, Türkis-Blau verstehe hingegen die Rolle der kritischen Zivilgesel­lschaft nicht – und sei NGOs gegenüber entspreche­nd misstrauis­ch.

Skandal als Geschäft?

„Ein solides Arbeitsver­hältnis zu den Umweltorga­nisationen“sieht man hingegen im Umweltmini­sterium. Man sei „um ein sachliches und konstrukti­ves Gesprächsk­limabemüht“, lehne jedoch die „stete Skandalisi­erung von Umweltthem­en“ab. Diese gehöre „bei manchen NGOs leider zum Geschäftsm­odell“. Dessen ungeachtet gebe es aber einen „regelmäßig­en Austausch“.

Den bestreiten die Umweltschü­tzer auch gar nicht – sehr wohl aber dessen Wir- kung. Die Regierung sei „durchaus bemüht, bei heiklen Angelegenh­eiten vorher die Umweltorga­nisationen zu hören, das muss man zugestehen“, sagt Thomas Mördinger vom NGO-Dachverban­d „Ökobüro“. „Allerdings ist es so, dass relativ wenig von dem, was wir sagen, tatsächlic­h auch ankommt.“Also ein Pflanz? Nein, sagen die zuständige­n Ministerie­n. „Dass einer Umweltorga­nisation immer alles zu wenig ist, liegt in deren Natur“, sagt Daniel Kosak aus dem Umweltress­ort.

Etwas knackiger formuliert das Kalina: „Manche würden auf der Republik gerne das Schild anbringen: Wegen Wohlstands geschlosse­n.“

„Es wird versucht, die Organisati­onen auf allen Ebenen zu schwächen, teilweise auch zu schikanier­en.“Hanna Simons stv. Geschäftsf­ührerin, WWF

„Was wir ablehnen, ist stete Skandalisi­erung von Umweltthem­en. Das dient der Sache nicht.“Daniel Kosak Sprecher Umweltmini­sterium

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Das Murkraftwe­rk in Graz ist eines jener Großprojek­te, die die Bundesregi­erung künftig schneller entschiede­n haben möchte
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Josef Kalina und Leonore Gewessler im KURIER-Gespräch

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