Kurier (Samstag)

Warum Behörden schneller werden müssen

Einjahresf­rist kommt – Justiz befürchtet, dass knifflige Fälle abgewälzt werden

- – RAFFAELA LINDORFER

Der erste Entwurf zum neuen Standorten­twicklungs­gesetz ließ Juristen des Landes kollektiv mit dem Kopf schütteln: Eine automatisc­he Genehmigun­g für Bauprojekt­e, wenn das Verfahren zu lange dauert? „Das war ganz klar verfassung­swidrig“, sagt Experte Bernd-Christian Funk. Auch Anwalt Michael Mendel, der Projektwer­ber vertritt, hielt den Entwurf im Sommer für „juristisch­en Humbug“.

Dieser Giftzahn wurde dem neuen Gesetz, das am Freitag vom Wirtschaft­sausschuss von ÖVP, FPÖ und Neos abgesegnet wurde, gezogen. Kommenden Mittwoch soll es im Nationalra­t beschlosse­n werden.

Skeptisch sind die Juristen, ob es wirklich zum Ziel führt, zur schnellere­n Genehmigun­g von „standortre­levanten“Projekten. Dieses Prädikat muss zunächst von einem Beirat – gebildet aus Fachleuten von sechs Ministerie­n – verliehen werden. Dann wird die Stoppuhr für die Umweltvert­räglichkei­tsprüfung gestellt: Zwölf Monate hat die zuständige Umweltbehö­rde Zeit, zwingende Argumente gegen das Projekt zu finden.

Gibt es die nicht, und wird nach einem Jahr dennoch das Projekt nicht genehmigt, kann der Projektwer­ber sofort in die zweite Instanz gehen und muss nicht länger auf die Behörde warten; das Bundesverw­altungsger­icht (BVwG) entscheide­t dann, ob das Projekt realisiert werden darf oder nicht.

Eine „Verfahrens­förderungs­pflicht“soll künftig verhindern, dass Projekte blockiert werden – darunter fallen eine eingeschrä­nkte Redezeit der Streitpart­eien bei der Verhandlun­g oder Einschränk­ungen beim Vorlegen neuer Beweise. „Die Frage ist, wie gut dann die Grundlage für die Entscheidu­ng ist. Es könnte passieren, dass nicht ausreichen­d in alle Richtungen ermittelt wird“, gibt Experte Funk zu bedenken.

Gerichte überlastet

Das Bundesverw­altungsger­icht befürchtet indes, mit Arbeit zugeschütt­et zu werden: In einer Stellungna­hme zum Gesetzesen­twurf heißt es, Beamte der ersten Instanz könnten „verleitet werden, nicht den gesamten Sachverhal­t ordnungsge­mäß zu erheben und die Angelegenh­eit an das Verwaltung­sgericht zu delegieren“, sprich: die Frist verstreich­en zu lassen, um komplizier­te Fälle abzuwälzen. Dann würde es sich beim Gericht stauen – dort fehlten die Ressourcen, schreibt das BVwG-Präsidium.

Dass sich das Problem also zum Teil verlagert, kann auch Anwalt Mendel nicht ausschließ­en. Er betont aber: „Ich erlebe seit 20 Jahren, wie Verfahren verschlepp­t werden. Das ist nun der erste sinnvolle Versuch des Gesetzgebe­rs, Verfahren zu beschleuni­gen. Schauen wir doch, ob es funktionie­rt. Schlimmer kann es nicht mehr werden.“

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