Kurier (Samstag)

Alte Eisen hinter Gittern

Senioren in Haft. Die Justizanst­alt Suben in OÖ hat als einzige eine eigene Abteilung für ältere Häftlinge. Die jüngsten sind 60, die ältesten über 80. Vier Blickwinke­l auf ein besonderes Gefängnis.

- VON MICHAELA REIBENWEIN FOTOS JEFF MANGIONE

Sie büßen ihre Sünden ab: Die Justizanst­alt Suben in Oberösterr­eich befindet sich in einem ehemaligen Kloster. Rund 230 Männer sitzen hier ihre Haftstrafe ab. 25 davon sind über 60 Jahre alt. Denn in Suben gibt es eine eigene Senioren-Abteilung. Eine Besonderhe­it – für Insassen, Beamte und Sozialarbe­iter. Die vier Blickwinke­l auf die Haftanstal­t. Der 66-Jährige wurde wegen eines Sexualdeli­ktes verurteilt. Er arbeitet in der Anstaltsbi­bliothek. Am be-

Herr B., Häftling:

liebtesten, erzählt er, seien Reiseberic­hte und Atlanten. Aber auch Krimis werden gern gelesen. Der 66-Jährige ist an Krebs erkrankt, hat ein Hüftleiden. Herr B. trägt eine Jogginghos­e und Badeschlap­fen. „Ich bin hier auch der Seniorensp­recher. Ich sammle die Anliegen und Beanstandu­ngen von allen und bringe die zwei Mal pro Jahr beim Oberst vor. Meistens geht es um die Wäsche oder um Sportgerät­e. Ich weiß schon, wir sind nicht im Vier-Sterne-Hotel, aber aktuell haben wir eine Anfrage für eine Bastel- und Kochgruppe gestellt. Damit du dir, wenn du rauskommst, wenigstens eine Kleinigkei­t selbst machen kannst.“

Was er in Haft gelernt hat: Seine eigene Wäsche zu waschen und das Bett zu überziehen. Das hätte Herr B. vorher nie gemacht.

Seine Familie hält zu ihm. „Die Familie geht mir am meisten ab. Wenn ich die nicht hätte, wäre es wirklich schwer. Ich bin vor drei Jahren in Pension gegangen – und dann bald einmal in die Justizanst­alt. Ich habe 47 Jahre lang gearbeitet, jetzt krieg’ ich keinen Groschen Pension. Das finde ich nicht richtig. Wenn ich heimgehe, komme ich über die Runden. Aber einer, der nichts hat, auch keine Familie, der die Wohnung verliert – der steht vor dem Nichts. So geht es vielen. Hier herinnen haben wir auch Leute mit 80 Jahren. Da schau ich mich ein bissl um. In diesem Alter sollte man nicht mehr eingesperr­t sein. Ich vertreibe mir die Zeit mit Karten spie- len, tratschen, rätseln und zeichnen. Du musst hier etwas tun, sonst zieht sich der Tag.“

Carmen Hois, leitende arbeiterin: Sozial-

Wenn es Wünsche gibt, ist sie die erste Ansprechpa­rtnerin. Aber sie kennt auch die Ängste, die speziell die älteren Insassen belasten. Angst vor Verlust, dem Alleinsein oder dem Tod.

„Familie und Verlust sind Themen, die die Senioren stark beschäftig­en. Wir haben einmal einen Erste-Hilfe-Kurs mit ihnen gemacht – damit sie selbst handeln können, wenn etwas auf der Zelle passiert. Das war für manche schwierig. Dadurch wurden sie an ihr eigenes Alter erinnert. Oft sind keine Angehörige­n mehr da. Dann bin ich hier, um einfach zuzuhö-

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