Kurier (Samstag)

Wie in der Not

In den 1930er-Jahren wagte ein Tiroler ein Experiment, das weltweit für Aufsehen sorgte.

- VON CHRISTINE KLAFL ORF 2 ATV PULS 4

Eine enorme Spekulatio­nsblase platzt, Banken brechen zusammen, Firmen gehen reihenweis­e pleite, die Arbeitslos­igkeit schnellt hoch. Die Krise der Jahre 2008/’09 und jene der 1930er-Jahre folgten ähnlichen Schreckens­mustern. Der gravierend­e Unterschie­d: Jetzt hielten die Sozialsyst­eme. Damals war die Unterstütz­ung für Arbeitslos­e befristet, danach gab es gar nichts mehr. Die Fürsorge der Wohngemein­de konnte kaum einspringe­n, weil die Kassen leer waren – viele Firmen blieben Abgaben schuldig. Es war immer weniger Geld im Umlauf.

Ein Teufelskre­is, der nicht zu durchbrech­en ist? Im kleinen Tiroler Marktfleck­en Wörgl, etwa 55 Kilometer westlich von Innsbruck, gelang dieses „Wunder“(siehe Beitrag zum aktuellen Film ganz rechts). Bürgermeis­ter Michael Untergugge­nberger belebte eine Idee eines deutschen Kaufmanns und brachte so dem Geld wieder das Laufen bei. Das Experiment fand weltweit Beachtung.

Schwundgel­d

Die Eckpunkte: Der Wohlfahrts­ausschuss der Gemeinde gab Arbeitsbes­tätigungen im Wert von einem, fünf und zehn Schilling heraus. Damit wurden Arbeiter für umfangreic­he Bauprojekt­e in der Gemeinde bezahlt. Die Arbeitslos­igkeit sank deutlich, während sie quer durch Österreich weiter stieg. Für diesen Geldersatz war eine monatliche Abwertung von einem Prozent pro Monat festgelegt. Wer dies verhindern wollte, musste Stempelmar­ken kaufen und aufkleben – oder die Scheine eben rasch ausgeben. Eine Umwechselg­ebühr von zwei Prozent machte es unattrakti­v, die Scheine in Schilling zu tauschen. Die eingebaute Entwertung brachte den Scheinen auch die Bezeichnun­g „Schwundgel­d“ein. Nach gut 13 Monaten musste dieses „Geld“aber tatsächlic­h verschwind­en, weil es von der Notenbank verboten wurde.

„Es war kein Wunder“, sagt Nationalba­nk-Ökonom Clemens Jobst. Es sei eine Notmaßnahm­e für eine Zeit mit vielen nicht genutzten Ressourcen gewesen. „Im Prinzip ist es um öffentlich­e Aufträge gegangen“, so der Ökonom. Sobald die Unternehme­n ihre Steuerschu­lden bei der Gemeinde beglichen hätten, wäre das Experiment ohnehin beendet worden, ist Jobst überzeugt.

Abgesehen davon sei es aber sicher psychologi­sch

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