Im Tiefschnee dem Luchs auf der Spur
Winter in Nationalparks. Im Gesäuse und in den Kalkalpen gibt es geführte Ausflüge in die unberührte Natur
Lucie kommt weit herum für ihre sieben Jahre. 400 Kilometer hat sie in den vergangenen Wochen zurückgelegt – und das im Tiefschnee. Für einen jungen Luchs kein Problem, schließlich kann er mit seinen großen Pfoten regelrecht „über den Schnee fliegen“, erklärt uns Lucies wahrscheinlich engster zweibeiniger Bekannter, Christian Fuchsjäger.
Der ist Ranger im Nationalpark Kalkalpen und Experte für die winterfesten Raubtiere, auch wenn sogar er sie meist nur aus der Ferne sieht.
Fuchsjäger kennt die Wege, die seine Tiere durch den Nationalpark Kalkalpen ziehen. Einige von ihnen tragen Sender, um sie auf ihren Routen durch die Alpen zu verfolgen.
Im Schnee sieht Fuchsjäger ihre Spuren, wo andere nur ratlos ins Weiß blicken – dort hat er seine Fotofallen aufgestellt. Auf einem Laptop zeigt er gleich im Wald seine Beute her: Luchse, die nachts hier auf der Jagd waren und sich so auf einigen Bildern verewigt haben. Rund um den Ranger eine Gruppe staunender NationalparkGäste. Die sind nicht über den Schnee geflogen, sondern haben sich einige Stunden auf Schneeschuhen durch den Winterwald gearbeitet. Stunden der Stille, in denen nur das Klappern der Schneeschuhe zu hören war. Im Gegensatz zum Skitourengehen ist das eine Art sich durch Schneelandschaften zu bewegen, die fast jeder nach ein paar Schritten beherrscht. Hier geht es nicht um kunstvolle Schwünge, sondern um die Begegnung mit der Winterlandschaft – so wie man sie nur sieht, wenn man sich zu Fuß auf den Weg macht.
Sicher durch die Wildnis
Der Nationalpark Kalkalpen und der nahe gelegene Nationalpark Gesäuse bieten solche Begegnungen mit der Natur und ihren Bewohnern an. Geführt von einem Ranger, der nicht nur jeden Berg und jeden Waldweg kennt, sondern auch alles, was auf diesem Berg versucht, durch den Winter zu kommen, vom Luchs bis zu Gämsen oder Rotwild. Unterwegs packen die Ranger ihr Wissen aus, schildern in Erinnerungen und Anekdoten ihre Erlebnisse mit Rehen, „die ja eher Genießer sind“, dem scheuen Rotwild und der einen Gams, die irgendwann doch aus der Wand gestürzt war und tot im Schnee lag.
Wer sich wirklich tief in diese Wildnis vorwagen will, kann statt der zwei- bis dreistündigen Schneeschuh-Wanderung, die an jedem Wochenende angeboten wird, auch eine zweitägige Tour buchen. Dann übernachtet man in einer unbewirtschafteten Holzknechthütte auf einer Alm. Dort ist für Verpflegung und ausreichend Komfort gesorgt, wobei man nach so vielen Stunden draußen in der Schneeluft ohnehin schon vor einem Kaminfeuer wunschlos glücklich ist.
Wer nicht so lange durch den Schnee stapfen und trotzdem viel Natur erleben will, kann einen der Nationalpark-Ranger zur Rotwildfütterung begleiten.
Nach einem kurzen Spaziergang durch den Wald erreicht man einen schützenden Unterstand, der mit Heizung und großer Glasfront ausgestattet ist. Von dort überblickt man eine Lichtung, auf der sich das Rotwild zur Fütterung versammelt. In der Dämmerung ist das ein einmaliges Schauspiel.
Schicksal der Hirsche
Dutzende Tiere versammeln sich um die Futterraufen: Muttertiere, die ihre Kinder stützen, Junghirsche, die noch ungelenk ihre ersten Rivalitäten austragen und kapitale Hirsche, deren Schädel im Kampf aufeinander krachen, die sich mit ihren mächtigen Geweihen so heftig ineinander verhaken, dass sie kaum noch auseinanderkommen.
Dazu hört man Geschichten über das Schicksal des Leithirschen Josef, der sich zum Sterben in den Wald zurückgezogen hat, oder über die unerwarteten Laute, die die Waldbewohner von sich geben. So hört sich ein Luchs am ehesten wie ein plärrendes Baby an. Natürlich kommt irgendwann auch der ewige Konflikt mit den örtlichen Jägern zur Sprache, die den Rangern und Naturbeobachtern regelmäßig in die Quere kommen. Am liebsten, gesteht ein Ranger, würde man ja denen Peilsender umhängen, „damit man die Störenfriede endlich besser kontrollieren kann“.