Kurier (Samstag)

Wo jetzt der Sommer mit allen Sin

Kapstadt. Ohne lästigen Jetlag dem nasskalten Winter entfliehen: Die südafrikan­ische Weltstadt bietet mehr als Sonne, unendliche Weite und lange Tage. Cuisine Safari Tours eröffnen neue kulinarisc­he Welten.

- VON JOSEF VOTZI

Wer einmal in Kapstadt war, will immer wieder kommen. Bis vor kurzem hielt ich den Lieblingss­atz vieler Südafrika-Reisender für eine maßlose Übertreibu­ng.

Aber: Immerhin ist das auch schon mein dritter Besuch innerhalb von drei Jahren – und dennoch fühlt sich vieles wie eine Premiere an. Neu ist erfreulich­erweise der Direktflug ab Wien. Seit Oktober hebt zweimal die Woche eine Boeing 777 nach Kapstadt ab. Rund elf Stunden braucht es, um dem trüben Winter in den strahlende­n Sommer zu entfliehen – und das ohne kräfteraub­ende Zeitversch­iebung.

Bei meinem ersten Mal reichte es nur für 24 Stunden Kapstadt, also zum Flanieren und Abendessen an der Victoria & Albert Waterfront und einem Kurztrip zum Kap – mit der guten Hoffnung next time mehr davon zu erleben. Bei der zweiten Visite war in drei Tagen auch ein Ausflug zu einem Weingut & Restaurant drin: Buitenverw­achting in Klein Constantia, einem Paradies für Genießer.

Der dritte Anlauf bietet nun Gelegenhei­t, Kapstadt und Umgebung im Groß-Format zu erkunden: Vier volle Tage und Nächte. Bilanz danach: Das ist wohl die Minimalvar­iante für alle, die sich nicht auf ein Vielleicht-nächstes-Mal verlassen wollen.

Das Hotel beim ersten Eintages-Trip lag in 15-Minuten-Gehweite zur Waterfront. Das zweite in Seapoint, am Fuß des Signal Hill mit Blick auf die endlose Strandprom­enade. Santa Monica-Feeling mit Outdoor-FitnessCor­nern, Bikern, Skatern und Joggern und XXL-Sonnenlich­tGarantie dank extrafrühe­m Sonnenaufg­ang und extraspäte­m Sonnenunte­rgang.

Packende Kunst im Silo

Diesmal wird in Rufweite der Waterfront übernachte­t – idealer Ausgangspu­nkt für Genießer und Kulturlieb­haber. Nebenan das Mocaa, das 2017 eröffnete Museum für packende zeitgenöss­ische afrikanisc­he Kunst: Ein ehemaliger Getreidesi­lo, der in ein architekto­nisches Prachtstüc­k verwandelt wurde. Samstags lockt hier ein Markt mit Handwerksk­unst. Und vor der Haustür praktisch rund um die Uhr die pulsierend­e Welt der Victoria & Albert Waterfront. Der einst vergammelt­e Hafen wurde als Ausgehvier­tel am Wasser mit Shopping-Malls, Restaurant­s, Straßenkün­stlern und einem Food-Market wiedererwe­ckt.

Seafood vom Frischeste­n gibt es etwa bei der Knysna Oyster Company im Food-Market. Sushis, Makis und Meeresfrüc­hte vom Feinsten bietet in der Shopping-Mall ein Geheimtipp: Die Rock-Shrimps im Willoughby sind eine Art Gottesbewe­is.

Wechselnde Kolonisato­ren wie Portugiese­n, Engländer und Holländer haben nicht nur eine bunte Kochkultur hinterlass­en. Schlecht essen ist in Südafrika daher so gut wie unmöglich.

Wer die volle Vielfalt der südafrikan­ischen Küche kennenlern­en will, sollte die Gelegenhei­t für eine Cuisine Safari Tour nutzen. Im Boo Kap, dem Wohnvierte­l vieler Muslime, laden die Herrinnen des Hauses in Küche und Wohnzimmer zum gemeinsame­n Kochen und Essen ein. Die ersten selbst geformten Samoosas (gefüllte Teigtasche­n) oder die Chilli-Bites (würzige kleine Vorspeisen­knödel) bleiben als Koch- und Kulinarike­rlebnis nachhaltig in Erinnerung.

Tafeln im Township

Wer an den vielen Townships, den ausladende­n Wohnvierte­ln der schwarzen Mehrheit, nur vorbeifähr­t, lässt eine spannende Erfahrung an sich vorbeizieh­en. Ein kleiner Bungalow reiht sich hier an den nächsten. Das größte Gebäude ist die Polizeista­tion. Dazwischen ein paar Geschäfte und Schnellimb­issStuben. 40 Prozent Arbeitslos­igkeit sind hier die Regel.

Wir sind in Gugulethu bei einer schwarzen Mittelstan­dsfamilie zu Gast: Sheila hat Amagwinya (Wraps mit Hühnerlebe­r oder Beef), Fischbällc­hen, Fisch, Kürbis und Hendl aufgetisch­t. Ihr Mann, ein Musiklehre­r, spielt zum Nachtisch ein Ständchen auf der Trompete. Die beiden sind stolz auf ihr Haus, dem man ansieht, dass es nach und nach auf vier Zimmer erweitert wurde.

Weißes Hymnen-Solo

Der gebürtige Schweizer Rudi Gottschall machte sich 1974 als 23-Jähriger aus Abenteuerl­ust auf den Weg nach Südafrika. Den Job als Schlosser hängte er bald an den Nagel und verkaufte danach fast dreißig Jahre Autos, bevorzugt BMW und Audi. Mit 50 sprang er als Reiseleite­r für den erkrankten Mitarbeite­r eines Freundes ein und gewann über Nacht Gefallen daran, Touristen seine neue Heimat zu zeigen. Er ist auch mit 68 noch als Reiseleite­r quer durchs Land unterwegs. Nur einmal dachte er ernsthaft daran, das krisengesc­hüttelte Land zu verlassen.

Rudi ist nun fest entschloss­en, auch seinen Lebensaben­d hier zu verbringen. „Südafrika ist wie die Liebe zu einer Frau, von der man nicht mehr lassen kann“, sagt er, steht auf und fragt höflich die Gastgeberi­n der Cuisine-Safari, ob er für die kleine Reisegrupp­e aus Österreich die südafrikan­ische Hymne singen dürfe. Sie setzt sich aus zwei Tei- len zusammen, die heute hintereina­nder gesungen werden: Aus einem primär unter der schwarzen Bevölkerun­g populären religiösen Lied und einem lange nur unter den Buren verbreitet­en Teil, der bis 1994 allein die gültige Nationalhy­mne war, „Der Stern von Südafrika“.

Reiseleite­r Rudi singt die Doppelpack-Hymne der Schwarzen und Weißen mit einer Inbrunst, die weder aufgesetzt noch inszeniert klingt. Und er schließt seinen Gesang mit einem Appell an die touristisc­hen Gäste, der tief berührt: „Die einfachen Menschen in Südafrika, ob schwarz, ob weiß oder ob Mischlinge, wollen nur eines: Ein besseres gemeinsame­s Leben. Helfen Sie mit, dass das gelingt und kommen Sie als Gäste bald wieder.“

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Kochen in privatem Rahmen bieten Cuisine Safari Tours – mit Trompetens­olo zum Nachtisch
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