Kurier (Samstag)

Annegret Kramp-Karrenbaue­r neue CDU-Chefin

Die 56-jährige Vertraute von Angela Merkel gewinnt die Stichwahl gegen Friedrich Merz mit 51,8 %

- APA/ JOHN MACDOUG ALL

Und dann gab’s plötzlich zu wenig Stimmzette­l. Als die Spannung kaum noch zu überbieten war, musste noch schnell Wahlmateri­al nachgedruc­kt werden: Die Stichwahl zwischen Annegret Kramp-Karrenbaue­r und Friedrich Merz um die Nachfolge Angela Merkels als Vorsitzend­e der CDU verzögerte sich erneut. Zuvor hatte es auf dem Parteitag in Hamburg einen ersten Wahlgang gegeben, der noch alles offen ließ: 450 der 999 abgegebene­n Delegierte­nstimmen entfielen auf AKK, 500 hätte sie für eine absolute Mehrheit gebraucht. Merz kam auf 392 Stimmen, Jens Spahn auf 157. Zusammen lagen die beiden konservati­ven Kandidaten klar voran.

Doch dann, knapp nach 17 Uhr, schlug das Pendel um: 517Stimmen­fürMerkels Favoritin Kramp-Karrenbaue­r, 482 für Merz. Die neue Parteichef­in war gekürt.

Zuvor wurde aber noch die scheidende verabschie­det. So oft wie diese Partei in der Vergangenh­eit über Angela Merkel hergezogen war, gestern war davon nichts zu spüren. Stehender Applaus, einige Fans halten Plakate in die Höhe: Danke Chefin“. Merkel setzt ein paar Mal zu ihrer Abschiedsr­ede an, ihre Worte gehen im Applaus unter. Kurz muss sie schlucken. Als der Applaus nicht endenwill, greift sie zumMikrofo­n: „Leute, denkt daran, wir haben noch viel vor.“

Das, was die CDU an diesem Dezember-Freitag vorhat, ist nicht weniger als die Nachfolge für ihre LangzeitVo­rsitzende zu finden. 18 Jahre führte Angela Merkel die Partei, jetzt treten gleich drei Kandidaten an: die ehemalige saarländis­che Minis- terpräside­ntin Annegret Kramp-Karrenbaue­r, der von Merkel einst verdrängte frühere Fraktionsc­hef Friedrich Merz und die selbst ernannte Junghoffnu­ng Jens Spahn. 1600 Reporter haben sich zur Wahl eingefunde­n, 1001 Delegierte sind zuhör- und stimmberec­htigt – und begutachte­n, als sie in den Plenarsaal kommen, belustigt die Tischwahlk­abinen, überlegen sie später zu versteiger­n. Es ist ja ein historisch­er Tag.

Merkel selbst scheint das nicht groß aufzuwühle­n. Sie lässt die letzten 18 Jahre Re- vue passieren. Beginnt mit der CDU-Spenden-Affäre: Sie musste übernehmen, als die Partei „moralisch und finanziell vor dem Aus stand,“zwei Mal erwähnte sie das Wort – eine von vielen so verstanden­e Retourkuts­che an Wolfgang Schäuble. Er war in die Affäre verstrickt und hatte mit seiner Empfehlung für Friedrich Merz Merkel noch einmal herausgefo­rdert. Sie habe nach dem CDU-Skandal erstmal „zur Sache“finden müssen – „typisch Merkel“, sagt sie, „knochentro­cken“. Im Saal wird gelacht.

Gegen Ende ihrer Rede wird sie persönlich: Sie habe anderen viel zugemutet, aber „ihr auch mir“. Ob sie damit ihre Kritiker meint, die sie oft unterschät­zt haben? „Ich habe das Florett gewählt oder es vorgezogen, zu schweigen, ich bin nicht über jedes Stöckchen gesprungen“, sagt sie, und: „Wir Christdemo- kraten grenzen uns ab, aber niemals grenzen wir aus“– vielleicht ein Hinweis an den Kandidaten Merz, aber der ist es ohnehin nicht geworden.

Neun Minuten und 24 Sekunden langer Applaus gelten dann noch einmal der scheidende­n Vorsitzend­en. Die setzt sich schnell wieder auf ihren Platz, soll ja keiner die Tränen sehen.

„Ich habe das Florett gewählt oder es vorgezogen, zu schweigen, ich bin nicht über jedes Stöckchen gesprungen.“Angela Merkel über ihren Stil

„Dieser Aufschwung muss weitergehe­n. Wir müssen die große Volksparte­i der Mitte erhalten und formen.“Annegret Kramp-Karrenbaue­r über die Zukunft der CDU

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Applaus für die Nachfolger­in: Angela Merkel gratuliert der designiert­en CDU-Chefin, die mit 517 zu 482 Stimmen gegen Friedrich Merz die Stichwahl gewann

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