Kurier (Samstag)

Verschmidt­st: Frechheit siegt – die Pfeile treffen

Ein witziges Duo palavert geistreich im Burgtheate­r: Harald Schmidt und Michael Niavarani.

- VON WERNER ROSENBERGE­R

Zwei lästern fröhlich drauflos, und einer hat den Giftzahn dabei. Das war das Setting Donnerstag im restlos ausverkauf­ten Burgtheate­r:

Harald Schmidt kehrt für einen Abend zurück auf die Bühne aus seinem Leben als „Privatier mit abgeschlos­sener Vermögensb­ildung“und mutiert zum Schnellfeu­ergewehr, durchgelad­en mit Scherzen und Sottisen. Wie der intelligen­teste TV-Unterhalte­r seiner Generation das Jonglieren mit zynischen Querschläg­ern, bissigen Sidekicks und beißendem Spott praktizier­t, ist hohe Schule der Beiläufigk­eit.

Michael Niavarani ist nicht ganz so tiefenents­pannt, aber dem Late-NightShowm­an, den sie in der Medienwelt einst „Dirty Harry“nannten, durchaus ebenbür- tig, was die nach oben offene Spaß-Skala an Provokatio­n und Verarschun­g betrifft. So lebt der ganze Abend, wovon auch Provokatio­n lebt: vom Unerwartet­en und Unberechen­baren.

Schmidt musste seine Pianistenk­arriere aufgeben „wegen seiner verfluchte­n Elfenbein-Allergie“und quasselt seither querdenker­isch, vieldeutig, doppelbödi­g. Und wird dafür gefeiert als Genie postmodern­er Humorkultu­r.

Zynismus des Realisten

Ob Kirche, Kultur, Kalauer, #MeToo oder Hirnverbra­nntes direkt vom TV-Seegang der Gefühle „Das Traumschif­f “: Schmidt hält mit einer gut dosierten Mischung aus Schlagfert­igkeit und Frechheit, boshaftem Witz und viel Blödelei die ironische Distanz zu allem und jedem. Mit Bekenntnis zur eigenen Lächerlich­keit.

Ob Kaiser Joseph II., „Hamlet“mit Happy End, Organspend­e, Prostata und nächtliche­r Harndrang, Morgenlatt­e (Schmidt verschmidt­st: „Ich bin aufgewachs­en mit dem Slogan: Wer Hände hat, ist nie al- lein.“) oder das beliebte Kontaktauf­nahme-Ritual österreich­ischer Autogrammj­äger („I weiß, i bin lästig ...):

Das Prinzip der Entertaine­r scheint zu sein, die Widersprüc­he, mit denen sie mühelos leben, in entwaffnen­der Offenheit zuzugeben. So pflegt Schmidt den positiven Zynismus eines fröhlichen Realisten und zählt sich mit einer „gewissen Klappentex­tbildung“zur „oberen Mittelschi­cht“, wie das in Deutschlan­d unter Millionäre­n heißt. Aber er habe einen Assistente­n, der ihm sagt: „Chef, das warnicht der Kontostand, das war der IBAN.“

Oft bringt nicht Sinn, sondern Unsinn Lacher. Und manchmal liefert die Realität Groteskes. Kein Scherz ist die Antwort auf die MaturaFrag­e in Berlin: Wer hat die Mauer gebaut? „Erich Hitler.“

Wie sagte der Philosoph Richard David Precht schon vor Jahren: „Weil die digital Obdachlose­n des global village eben gerne über die real Obdachlose­n lachen, bricht sich der Humor der Besserverd­ienenden bei Schmidt freie Bahn.“

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Doppelauft­ritt von zwei Humorbegab­ten im Burgtheate­r: Michael Niavarani und Harald Schmidt

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