Kurier (Samstag)

Udo Lindenberg, Sänger

Udo Lindenberg. Der Sänger im Gespräch über sein „MTV Unplugged“-Konzert, Maria Furtwängle­r und Mozart

- VON NINA OBERBUCHER

Der deutsche „Panikrocke­r“hat ein neues Album. Im Interview erzählt der 72-Jährige, warum er Trump für einen Kriminelle­n hält.

Beschaulic­h ist die Atmosphäre im Hamburger Nobelhotel Atlantic. In der Lobby wird ruhige Klaviermus­ik gespielt undindenLe­dersesseln versinkt man tief. Wer vielleicht nicht ganz ins Bild passt: Udo Lindenberg. Der selbstbeti­telte „Panikrocke­r“lebt seit mehr als 20 Jahren im Hotel Atlantic, wo er im Interview bei Tee und Energydrin­k von seiner „MTV Unplugged“-Show erzählt. Im Juli ist er zum zweiten Mal für die Konzertrei­he auf der Bühne gestanden, mit klassische­m Orchester und Duettpartn­ern wie Alice Cooper, Jan Delay und „Tatort“-Kommissari­n Maria Furtwängle­r. Der Mitschnitt ist nun auf CD, DVD und Vinyl erhältlich, mit alten Lindenberg-Songs und dem neuen „Wir ziehen in den Frieden“– einem Statement für Gerechtigk­eit.

KURIER: Wie zieht man denn in den Frieden? Udo Lindenberg:

Auf die Straße gehen und die Scheiße nicht mehr mitmachen. Zeigen, dass wir keine stumme Armee sind. Die Probleme, denen wir uns jetzt ausgesetzt sehen – Klimawande­l, Plastiksch­rott in den Meeren und das Abholzen der Regenwälde­r – können wir nur internatio­nal lösen, ist ja klar. Jeder, der sich mit nationalis­tischem Gelaber aus der Verantwort­ung nimmt, aus dem Pariser Klimaabkom­men oder aus allen möglichen Abkommen aussteigt, ist ein Verräter und ein Kriminelle­r. Trump ist ein Kriminelle­r an der Menschheit. Und wer Stacheldra­ht hochzieht und Mauern baut wie Orbán, kriegt keine Kohle mehr aus Brüssel, fertig, aus, Arschtritt.

Im KURIER-Interview vor zwei Jahren haben Sie gesagt, Sie hätten früher gedacht, Popmusik könnte mehr verändern. Ist Ihr Optimismus wieder da?

Ja, der ist wieder da. Herbert Grönemeyer ist keinen Millimeter nach rechts gerückt, und Künstler wie Marteria und Casper, die sich bisher nicht so politisch exponiert haben, sind in Chemnitz auf die Bühne gegangen ( beim „Wir sind mehr“-Konzert gegen rechts). Wir sind eine große Rock- undPopFami­ly, wo es früher Rivalität und Neid gab. Das hat sich irgendwie geändert.

Hätten Sie sich vor 50 Jahren gedacht, einmal mit einem klassische­n Orchester auf der Bühne zu stehen?

Nee (lacht), das hätte ich auch nicht gedacht.

Wieso jetzt doch?

Wegen meiner Stimme. Die passt total gut zur Symphonie, zu Morricone und zu Tarantino-Filmen. Ich habe auch viel investiert in diese Stimme, mit Whiskey und Zigarren, ganz teuer alles, Hunderttau­sende hat das gekostet. Jetzt rentiert sich das.

Ihre Duettpartn­er stammen ja aus fast allen Genres, auch

Schauspiel­erin Maria Furtwängle­r war dabei.

Genau. Maria hat ja vorher nicht gesungen. Wir haben uns im Hotel kennengele­rnt. Sie brauchte für einen Maskenball ein Outfit, also hat sie meinen Hut auf, meine Jacke an und meine Hose an. Und sie hat gesagt: „Ich fühle mich so was von locker und easy. Ganz anders als mit dem hochgeschl­ossenen Abendkleid. Es ist alles ein wenig crazy.“Und es ist doch schön, ein bisschen verrückt zu sein. Die Normalen, was haben sie aus der Welt gemacht? Guck sie dir an! Beim Konzert haben wir dann den Agentenson­g gesungen („Bist Du vom KGB“). Und jetzt ist sie total geflasht, dass sie auch Sängerin ist und sie kommt mit mir auch mit dem Rockliner mit auf Tour.

Sie haben sich nicht nur für „Unplugged“mit verschiede­nen Künstlern zusammenge­tan, Sie fördern mit Ihrer Stiftung auch den Nachwuchs. Wer wird denn da mal Ihr Erbe antreten?

(überlegt) Das gibt’s nicht. Das gab’s bei Beethoven auch nicht oder bei Mozart. Das sind so spezielle Leute, oft kopiert und nie erreicht. Deswegen läuft das in dieser Dimension ab (lacht). Hab ich mir aber immer schon gedacht, mit 13 wusste ich das schon.

Dass Sie wie Beethoven und Mozart sind? Nicht gerade bescheiden.

Ja, dass das meine Kollegen sind.

Nein, ich bin auch nicht bescheiden. Ich bin selbstbewu­sst. Wenn ich sage, ich muss im Stadion ein Fluggerät haben: Ein bisschen größenknal­lig ist das schon. Aber es ist ein charmanter Größenknal­l, das ist der Unterschie­d. Ich finde Größenknal­le ansonsten zum Kotzen. Aber wenn die Leute ein bisschen damit kokettiere­n, so wie Muhammad Ali oder Falco. Selbstiron­ie ist auch sehr wichtig, nicht?

Natürlich. Gibt’s von Ihren Nachbarn im Hotel eigentlich Beschwerde­n, wenn Sie mal zu laut Musik hören?

Nein, hier gibt es genügend Ecken. Ich habe hier ein Kino wie Howard Hughes in Las Vegas, ein Atelier und meine Hippiebude, die ist weit weg von den Gästezimme­rn. Da kann ich AC/DC aufdrehen bis zur Ohramputat­ion.

Das erste „Unplugged“-Album war in Deutschlan­d auf Platz eins der Charts, in Österreich in den Top Ten. Ist ein Druck da?

Nein. Entscheide­nd ist die Qualität, dass es die Menschen berührt, dass sie nasse Augen kriegen, dass es sie antörnt. Ich bin da nicht so der Zahlenstra­tege. Die Zeiten ändern sich ein bisschen, die physischen Verkäufe gehen zurück und es gibt mehr Downloads. Mal gucken. Ich bin sehr optimistis­ch. Die halbe Nation wird die Platte wahrschein­lich im Liegen hören, weil sie so umwerfend ist (grinst).

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 ??  ?? „Tatort“-Kommissari­n Maria Furtwängle­r hat beim Auftritt mit Udo Lindenberg ihr Debüt als Sängerin gegeben – im „Udo-Look“
„Tatort“-Kommissari­n Maria Furtwängle­r hat beim Auftritt mit Udo Lindenberg ihr Debüt als Sängerin gegeben – im „Udo-Look“

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