Kurier (Samstag)

Sie nannten ihn Gurke

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Dieser Tage reiste die Redaktion der Wiener Ansichten in den Bregenzerw­ald. Zweck des Ausflugs war eine Recherche: Wie sieht ein schöner Christbaum aus? Schließlic­h scheint ein solcher in den großen Städten Europas schwer zu finden. Jener auf der Piazza Venezia in Rom etwa bekam nun schon zum zweiten Mal in Folge den zweifelhaf­ten Ehrentitel Spelacchio („der Gerupfte“). Ein weiterer Kosename für das arme römische Bäumchen lautet übrigens Klobürste. Da helfen auch die von Netflix gesponsert­en Kugeln nichts.

Man muss jedoch sagen: Auch im Bregenzerw­ald gab es in der Vergangenh­eit Baumkrisen. Einmal tobte der Stammtisch beim Hirschen-Wirt in der Ge- meinde Bezau angesichts eines Baumes, der statt Zweigen und Nadeln ein Kleid aus Holzplatte­n trug. Im Design-affinen Bregenzerw­ald (praktisch alle Architekte­n der Welt werden hier geboren) sollte wohl auch Weihnachte­n richtig modern werden. Doch das ging schief. Denn nicht alle Einheimisc­hen schätzen moderne Architektu­r und so wurde die traditions­fremde Tanne als „Flachdachb­aum“verunglimp­ft.

Glückliche­rweise war das weihnachtl­iche Design-Desaster ein Einzelfall. Dieses Jahr gibt’s wieder einen Baum, den die Wälder anerkennen­d „g’hörig“, also ordentlich nennen.

Wie herausford­ernd die Auswahl eines g’hörigen Baumes ist, darüber musste der Wiener Forstdirek­tor Andreas Janusko- vecz jüngst Medien Auskunft erteilen. Denn auch der heuer aus Kärnten angereiste Baum vor dem Wiener Rathaus wurde wegen angebliche­r Nadelarmhe­it verspottet. Erst durch zusätzlich gesteckte Zweige wurde den undankbare­n Wienern klar, dass es sich dabei um den „schönsten Baum Oberkärnte­ns“handelte.

Dass der Baum jedoch aufgrund seiner Herkunft aus dem Bistum Gurk in Wien „Gurkenbaum“genannt wurde, wie eine deutsche Tageszeitu­ng witzelte, ist zwar eine interessan­te Beschreibu­ng, allerdings Fake News. Niemand in Wien hat den Baum jemals so genannt, betont der Oberförste­r. Die Fichte wurde vielfältig verunglimp­ft, das Wort Gurke ist dabei nie gefallen.

barbara.mader@kurier.at

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