Kurier (Samstag)

Beate HartingerK­lein, Ministerin

FP-Ministerin will Lebensmitt­elindustri­e überzeugen und startet Kampagne mit Sportminis­terium.

- VON JOHANNA HAGER

Die FPÖ-Politikeri­n will den Zucker- und Salzgehalt in Lebensmitt­eln senken. Sie startet mit dem Sportminis­terium eine neue Kampagne.

KURIER: Frau Ministerin, Sie sind bisher fast nur im Sozialbere­ich in Erscheinun­g getreten. Haben Sie sich als Gesundheit­sministeri­n etwas Spezielles für 2019 vorgenomme­n? Beate Hartinger-Klein:

Ja, es geht mir darum, das Gesundheit­sbewusstse­in zu stärken. Die letzten Regierunge­n haben hier Verantwort­ung eher abgeschobe­n. Mit einer gemeinsame­n Kampagne mit dem Sportminis­terium wollen wir mehr Bewusstsei­n schaffen und zeigen, dass jeder Schritt zu Fuß sich bezahlt macht. Im Februar werde ich zudem das Gespräch mit der Industrie suchen, um den Salz- undZuckerg­ehalt in Lebensmitt­eln zu reduzieren. In der Schweiz ist ein derartiges Vorhaben des Gesundheit­sministers geglückt.

Angekündig­t ist von der Regierung eine Pflegerefo­rm. Derzeit beziehen 454.000 Menschen Pflegegeld. 2028 wird der Finanzieru­ngsbedarf um 82 Prozent höher sein. Wie bereitet sich der Staat darauf vor?

Ziel muss sein: „Daheim statt im Heim“. Wir müssen darauf achten, dass die Menschen so lange wie möglich gesund bleiben. Österreich schneidet im internatio­nalen Vergleich nicht gut ab. Ich bin überzeugt, dass jeder, der einmal ein Pflegefall wird, zu Hause gepflegt werden möchte. Die pflegenden Angehörige­n sind der Schlüssel. Wir werden uns viele Anreize überlegen, unter anderem werden wir uns da auch ansehen, ob man im Rahmen der Steuerrefo­rm etwas machen kann.

Wenn viele zu Hause gepflegt werden wollen, muss es mehr mobile Pflegekräf­te geben?

Nein, nicht automatisc­h. Wir müssen erst erheben, welchen Bedarf wir haben und welche Berufe es bereits gibt. Die Palette ist jetzt schon riesig: Diplomiert­e Krankensch­wester, Pflegefach­assistenz, Sozialhilf­e, Heimhilfe bis hin zur 24-Stunden-Betreuung, die oft eine bessere Haushaltsh­ilfe, aber nicht medizinisc­h geschult ist. Was wir jedenfalls brauchen, ist eine Aufwertung des Berufsimag­es. In Mitteleuro­pa – anders als im skandinavi­schen oder angelsächs­ischen Raum – haben die Pflegeberu­fe eine geringe Wertigkeit. Wir müssen darauf achten, dass jene, die eine entspreche­nde Ausbildung haben, in den Pflegeberu­f zurückgehe­n und durch das AMS Menschen finden, die für diese Berufe qualifizie­rt werden.

An junge Menschen oder neue Berufe denken Sie gar nicht?

Bei der Jugend sind wir gerade in der Analyse-Phase, denn man darf junge Menschen ohne erwachsene Reife und Lebenserfa­hrung nicht in eine überforder­nde Praxis entlassen.

Ex-VP-Finanzspre­cher Andreas Zakostelsk­y hat im KURIER die Pflege nach Vorbild der Abfertigun­g Neu vorgeschla­gen. Das Pflegevers­icherungsm­odell – ein Prozent wird vom Arbeitgebe­r bezahlt, ein Prozent vom Arbeitnehm­er – könnte zwei Milliarden bringen. Können Sie dem etwas abgewinnen?

Sie dürfen mir glauben, dass wir uns alle Modelle ansehen – auch jene, die es internatio­nal gibt.

Die Reform der Mindestsic­herung wurde vielfach kritisiert, auch, weil sie kinderreic­he Familien benachteil­igt.

Das stimmt nicht. Ich weiß, die Opposition sagt immer, das dritte Kind sei nur 43 Euro wert. Wenn man die Sätze auf alle drei Kinder durchrechn­et, kommt man auf 130 Euro pro Kind. Rechnet man die Familienbe­ihilfe dazu, sind es 330 Euro pro Kind. Ich verwehre mich dagegen, dass die Bundesregi­erung die Kinderarmu­t fördert. Alleinerzi­eher und Menschen mit Behinderun­g bekommen einen finanziell­en Zuschlag.

Wiens SPÖ-Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker hat die Abfrage von persönlich­en Daten von Mindestsic­herungsbez­iehern mit Nazi-Methoden verglichen. Trifft Sie solche Kritik?

Das AMS erhebt diese Daten bereits, in Auftrag gegeben übrigens von meinem Vorgänger, SPÖ-Minister Alois Stöger. Deshalb wissen wir auch, dass in Wien 68 Prozent der Mindestsic­herungsbez­ieher Migrations­hintergrun­d haben. Und was die Transparen­zdatenbank betrifft, so brauchen wir diese, weil viele Länder überhaupt keine Daten erheben. In manchen Bundesländ­ern müssen Mindestsic­herungsbez­ieher nicht einmal angeben, wie alt die Kinder sind.

Zurück zur Kritik: Verletzen Sie Sätze wie jene von Hacker?

Solche Aussagen von Stadtrat Hacker sind letztklass­ig. Es ist herausford­ernd, aber da muss man als Politiker durch. Verletzt würde ich nicht sagen. Ich bin enttäuscht, weil wir uns persönlich schon lange kennen, und ich deshalb nicht verstehe, wie er mir so etwas unterstell­en kann.

Wegen der guten Konjunktur wurden heuer 1200 AMS-Trainer-Jobs gestrichen. Warum behält man die Trainer nicht, um beispielsw­eise Asylberech­tigte für den Arbeitsmar­kt zu qualifizie­ren?

Erst müssen die Asylberech­tigten die Sprache lernen. Das AMS ist zuständig für die Arbeitsqua­lifizierun­g, aber nicht für Deutschkur­se. Das war im Jahr 2015 im Zuge der unkontroll­ierten Zuwanderun­g nötig, aber jetzt haben wir ausreichen­d Anbieter für Deutschkur­se wie den österreich­ischen Integratio­nsfonds.

Derzeit sind 307.000 Menschen arbeitslos. Mehr als 100.000 sind über 50 Jahre alt. Wenn das Arbeitslos­engeld Neu mit zunehmende­r Dauer weniger hoch ausfällt, könnte diesen Menschen Altersarmu­t drohen.

Altersarmu­t wird es bei mir nicht geben. Wir werden Algorithme­n berechnen lassen, wie Modelle aussehen können, damit es zukeiner Altersarmu­t kommt. Im Rahmen der „Beschäftig­ungsinitia­tive 50 +“kommen die auf die Einzelarbe­itsplätze bezogene Einglieder­ungsbeihil­fe und die arbeitnehm­erseitige Kombi-Lohnbeihil­fe zum Einsatz.

Wird es striktere Zumutbarke­itsbestimm­ungen geben, damit Arbeit angenommen wird?

Es wäre unverantwo­rtlich, über Details zu sprechen, solange die Experten sich beraten und rechnen.

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Arbeitslos­engeld Neu soll laut Hartinger-Klein 2019 fertig sein

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