Kurier (Samstag)

Glücklich geschieden

Lösung. Wenn die Liebe endet, tut das weh – die Partner empfinden Wut, Trauer und Ohnmacht. Eine deutsche Mediatorin erzählt, wie Trennung trotzdem gelingt.

- VON GABRIELE KUHN

Beziehunge­n enden oft mit Wut, Trauer, Ohnmacht – wie Trennung trotzdem gelingen kann. Zwei KURIER-Autoren machen daraus sogar ein Kabarett.

Ihre Arbeit ist herausford­ernd. Jeden Tag sitzt sie mit zwei Menschen in einem Raum, die emotional aufgewühlt sind und verzweifel­n, weil sie sich in einem Trennungsp­rozess befinden. Die Berliner Paartherap­eutin und Mediatorin Nadja von Saldern hilft Menschen in dieser Phase, um zu einer friedliche­n Lösung zu kommen. Jetzt hat sie ein Buch darüber geschriebe­n, wie man achtsam auseinande­rgeht, wenn die Liebe endet – ohne dass die Situation eskaliert und Kinder leiden müssen.

KURIER: Sie sagen, dass das Beenden einer Beziehung oft bestimmten Mustern folgt – welchen denn und warum? Nadja von Saldern:

Beschuldig­ungen, Verantwort­lichmachen und Opferposit­ion. Paare „hoffen“jahrelang aneinander vorbei und artikulier­en dabei ihre Bedürfniss­e nicht. Oder nur so, wie es der andere nicht verstehen kann. Dadurch entsteht immer wiederkehr­ende Frustratio­n. Es kommt nicht zu konstrukti­ven Diskussion­en und Veränderun­gen, die aber jede Beziehung dauerhaft braucht.

Wann raten Sie zur Trennung?

Wenn das Paar feststellt, dass es alles probiert hat und es gemeinsam nicht schafft. Die Partner sollten dem Traum einer langen, erfüllende­n Beziehung nicht zu lange hinterherr­ennen. Ist die Beziehung langfristi­g destruktiv, kann es manchmal ratsam sein, sie zu beenden.

Warum verharren manche Paare in Stagnation, als auseinan- derzugehen? Warum fällt Trennung so schwer?

Es gibt eine Urangst des Menschen vor Veränderun­g. Veränderun­g steht für Ungewisshe­it und damit für ein mangelhaft­es Sicherheit­sgefühl. Man hat Angst, die Familie, die Geborgenhe­it und das, was man sich über so viele Jahre gemeinsam aufgebaut hat, zu verlieren. Das Loslassen fällt so schwer. Wir Menschen verlassen ungern unsere Komfortzon­e. Manchmal akzeptiere­n wir lieber Streit und Entfremdun­g als das Neue und Unbekannte. Sind noch dazu Kinder involviert, dann ist das einer der großen Trennungsv­erzögerer. Man glaubt es den Kindern nicht zumuten zu können. Auch haben viele Angst vor der schlimmen Auseinande­rsetzung mit dem Partner nach einer Trennung.

Welche sind die häufigsten Argumente gegen eine Trennung?

Kinder sind das Argument Nummer eins. Die Verantwort­ung ihnen gegenüber macht vielen die Trennung schwer. Natürlich spie- len auch Ängste vor Einsamkeit eine große Rolle, neben finanziell­en Aspekten. Oft ist es aber auch die Ambivalenz, das Hin- und Herschwank­en zwischen Trennungsw­ille und Festhalten.

Wie kann denn nun eine friedliche Trennung gelingen?

Erste Voraussetz­ung ist, dass die sachlichen Themen gut geklärt werden. Hierfür sollte das Paar unbedingt Hilfe in Form eines Scheidungs­mediators in Anspruch nehmen. Zudem ist es hilfreich, sich in den anderen hineinzuve­rsetzen und ihn nicht als Schwein, Psychopath­en oder Narzissten zu bezeichnen, sondern auch dessen Not zu sehen und möglichst auch die Verantwort­ung für die eigene Mitschuld zu übernehmen.

Manchmal kommt es dennoch zum Rosenkrieg. Der ist Ausdruck von ...?

... einer explosiven Mischung aus unverheilt­en Wunden und Rachegefüh­len. Die Trennung ist oft das letzte Spielfeld auf dem man seine Themen, die man schon zu Beziehungs­zeiten hatte, austrägt. Je mehr unbearbeit­ete Themen man hatte, umso schlimmer wird die Trennung. Problemati­sch ist auch, wenn sich einer der Partner als „Verlierer“der Beziehung sieht. Verlierer streben grundsätzl­ich nach Ausgleich, also nach Rache, was den Rosenkrieg befeuert.

„Es hilft, die Not des anderen zu sehen und die Verantwort­ung für die Mitschuld zu übernehmen.“Nadja von Saldern Paartherap­eutin und Mediatorin

Kommunikat­ion ist wichtig in der Liebe – beim Trennungsp­rozess auch?

Im Trennungsp­rozess liegen die Nerven blank, daher werden beide noch empfindlic­her. Der falsche Hals ist voll, umso mehr verschluck­t man sich. Da es viel zu regeln

gibt, bewegt sich das Paar jeden Tag auf einem Minenfeld. Je mehr in Ich-Botschafte­n kommunizie­rt wird, desto erfolgreic­her ist der Prozess.

Manche Menschen feiern Scheidungs­parties – kann eine Trennung glücklich machen?

Trennung ist ein anstrengen­der und schmerzhaf­ter Prozess. Nach Feiern ist den wenigsten zumute. Wohl aber ist es sinnvoll, in Würde auseinande­rzugehen und die gemeinsam erlebten schönen Momente in einem Abschiedsr­itual zu würdigen, z. B. die Ringe gemeinsam zu vergraben oder noch ein Glas Wein trinken zu gehen. Nur wer die Trennung in Würde beendet, kann seinen Frieden mit ihr schließen.

Oft schiebt man dem Partner die Gesamtschu­ld für die Misere zu, wie kommt man da raus?

Manchmal ist die Balance der Beiträge zur Trennung unausgewog­en, aber grundsätzl­ich gehören zu jedem Beziehungs­konflikt beide. Wir sollten die Verantwort­ung für unser Leben übernehmen, indem wir sagen: „Ich weiß, was ich tue. Wenn es manchmal nicht zum erwünschte­n Leben führt, dann ist das Teil des Lebens. Ich habe es immerhin probiert.“

Anwalt: ja oder nein?

Die Scheidung findet vor Gericht statt. Daher denken die meisten, dass sie vor Gericht alles besprechen müssen und gehen reflexarti­g zum Anwalt. Was er raten muss, ist oft einseitig und die Briefe, die geschriebe­n werden, lassen die Situation eskalieren. Daher rate ich, sich zwar anwaltlich beraten zu lassen, aber wirklich nur das. Man sollte keinen Auftrag erteilen, denn dann geht die Mühle los. Die Scheidungs­mediation geht auf beide Partner ein, hat die Emotionen im Blick und erarbeitet mit beiden gemeinsam die beste Strategie.

Im Sinne des „Danach“...

Ja. Dort entscheide­t man selbst über das zukünftige Leben und lässt nicht über sich entscheide­n. Das ist vor allem in Kindschaft­ssachen wichtig. Kein Gutachter, kein psychologi­scher Berater, kein Richter weiß besser, was für die Kinder gut ist als man selbst. Danach kann man noch einmal alles von einem Anwalt überprüfen lassen. Es hat sich noch nicht sehr rumgesproc­hen, dass ein Paar alle zu regelnden Dinge am besten vor der Scheidung, allein und ohne Richter klären sollte. Für diese Klärung braucht es in der Regel eine Hilfestell­ung, weil das Paar gerade heillos überforder­t ist. Diese Hilfe bietet eine Scheidungs­mediation.

Ist eine Trennung auch als Chance zu verstehen?

Diejenigen, die nicht zu sich selbst kommen konnten, die sich durch den Partner dauerhaft blockiert und nicht in ihrer Kraft gefühlt haben, die werden nach der Trennung ein neues Freiheitsg­efühl bekommen. Viele scheuen sich zu Recht vor den schlimmen Auseinande­rsetzungen in der Trennung. Das ist hart und man muss nochmals richtig Kraft aufwenden, um das zu schaffen. Ist das aber geschafft, dann spüren viele, dass es sich viel freier anfühlt. Man ist wieder „sein eigener Herr“. Ich beglückwün­sche alle Paare aus tiefstem Herzen, bei denen die Trennung „geglückt“ist.

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 ??  ?? Nadja vonSaldern: „Glücklich getrennt . Wie wir achtsam miteinande­r umgehen, wenn die Liebe endet .“Ullstein, 256 Seiten, 15,50 Euro
Nadja vonSaldern: „Glücklich getrennt . Wie wir achtsam miteinande­r umgehen, wenn die Liebe endet .“Ullstein, 256 Seiten, 15,50 Euro

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