Glücklich geschieden
Lösung. Wenn die Liebe endet, tut das weh – die Partner empfinden Wut, Trauer und Ohnmacht. Eine deutsche Mediatorin erzählt, wie Trennung trotzdem gelingt.
Beziehungen enden oft mit Wut, Trauer, Ohnmacht – wie Trennung trotzdem gelingen kann. Zwei KURIER-Autoren machen daraus sogar ein Kabarett.
Ihre Arbeit ist herausfordernd. Jeden Tag sitzt sie mit zwei Menschen in einem Raum, die emotional aufgewühlt sind und verzweifeln, weil sie sich in einem Trennungsprozess befinden. Die Berliner Paartherapeutin und Mediatorin Nadja von Saldern hilft Menschen in dieser Phase, um zu einer friedlichen Lösung zu kommen. Jetzt hat sie ein Buch darüber geschrieben, wie man achtsam auseinandergeht, wenn die Liebe endet – ohne dass die Situation eskaliert und Kinder leiden müssen.
KURIER: Sie sagen, dass das Beenden einer Beziehung oft bestimmten Mustern folgt – welchen denn und warum? Nadja von Saldern:
Beschuldigungen, Verantwortlichmachen und Opferposition. Paare „hoffen“jahrelang aneinander vorbei und artikulieren dabei ihre Bedürfnisse nicht. Oder nur so, wie es der andere nicht verstehen kann. Dadurch entsteht immer wiederkehrende Frustration. Es kommt nicht zu konstruktiven Diskussionen und Veränderungen, die aber jede Beziehung dauerhaft braucht.
Wann raten Sie zur Trennung?
Wenn das Paar feststellt, dass es alles probiert hat und es gemeinsam nicht schafft. Die Partner sollten dem Traum einer langen, erfüllenden Beziehung nicht zu lange hinterherrennen. Ist die Beziehung langfristig destruktiv, kann es manchmal ratsam sein, sie zu beenden.
Warum verharren manche Paare in Stagnation, als auseinan- derzugehen? Warum fällt Trennung so schwer?
Es gibt eine Urangst des Menschen vor Veränderung. Veränderung steht für Ungewissheit und damit für ein mangelhaftes Sicherheitsgefühl. Man hat Angst, die Familie, die Geborgenheit und das, was man sich über so viele Jahre gemeinsam aufgebaut hat, zu verlieren. Das Loslassen fällt so schwer. Wir Menschen verlassen ungern unsere Komfortzone. Manchmal akzeptieren wir lieber Streit und Entfremdung als das Neue und Unbekannte. Sind noch dazu Kinder involviert, dann ist das einer der großen Trennungsverzögerer. Man glaubt es den Kindern nicht zumuten zu können. Auch haben viele Angst vor der schlimmen Auseinandersetzung mit dem Partner nach einer Trennung.
Welche sind die häufigsten Argumente gegen eine Trennung?
Kinder sind das Argument Nummer eins. Die Verantwortung ihnen gegenüber macht vielen die Trennung schwer. Natürlich spie- len auch Ängste vor Einsamkeit eine große Rolle, neben finanziellen Aspekten. Oft ist es aber auch die Ambivalenz, das Hin- und Herschwanken zwischen Trennungswille und Festhalten.
Wie kann denn nun eine friedliche Trennung gelingen?
Erste Voraussetzung ist, dass die sachlichen Themen gut geklärt werden. Hierfür sollte das Paar unbedingt Hilfe in Form eines Scheidungsmediators in Anspruch nehmen. Zudem ist es hilfreich, sich in den anderen hineinzuversetzen und ihn nicht als Schwein, Psychopathen oder Narzissten zu bezeichnen, sondern auch dessen Not zu sehen und möglichst auch die Verantwortung für die eigene Mitschuld zu übernehmen.
Manchmal kommt es dennoch zum Rosenkrieg. Der ist Ausdruck von ...?
... einer explosiven Mischung aus unverheilten Wunden und Rachegefühlen. Die Trennung ist oft das letzte Spielfeld auf dem man seine Themen, die man schon zu Beziehungszeiten hatte, austrägt. Je mehr unbearbeitete Themen man hatte, umso schlimmer wird die Trennung. Problematisch ist auch, wenn sich einer der Partner als „Verlierer“der Beziehung sieht. Verlierer streben grundsätzlich nach Ausgleich, also nach Rache, was den Rosenkrieg befeuert.
„Es hilft, die Not des anderen zu sehen und die Verantwortung für die Mitschuld zu übernehmen.“Nadja von Saldern Paartherapeutin und Mediatorin
Kommunikation ist wichtig in der Liebe – beim Trennungsprozess auch?
Im Trennungsprozess liegen die Nerven blank, daher werden beide noch empfindlicher. Der falsche Hals ist voll, umso mehr verschluckt man sich. Da es viel zu regeln
gibt, bewegt sich das Paar jeden Tag auf einem Minenfeld. Je mehr in Ich-Botschaften kommuniziert wird, desto erfolgreicher ist der Prozess.
Manche Menschen feiern Scheidungsparties – kann eine Trennung glücklich machen?
Trennung ist ein anstrengender und schmerzhafter Prozess. Nach Feiern ist den wenigsten zumute. Wohl aber ist es sinnvoll, in Würde auseinanderzugehen und die gemeinsam erlebten schönen Momente in einem Abschiedsritual zu würdigen, z. B. die Ringe gemeinsam zu vergraben oder noch ein Glas Wein trinken zu gehen. Nur wer die Trennung in Würde beendet, kann seinen Frieden mit ihr schließen.
Oft schiebt man dem Partner die Gesamtschuld für die Misere zu, wie kommt man da raus?
Manchmal ist die Balance der Beiträge zur Trennung unausgewogen, aber grundsätzlich gehören zu jedem Beziehungskonflikt beide. Wir sollten die Verantwortung für unser Leben übernehmen, indem wir sagen: „Ich weiß, was ich tue. Wenn es manchmal nicht zum erwünschten Leben führt, dann ist das Teil des Lebens. Ich habe es immerhin probiert.“
Anwalt: ja oder nein?
Die Scheidung findet vor Gericht statt. Daher denken die meisten, dass sie vor Gericht alles besprechen müssen und gehen reflexartig zum Anwalt. Was er raten muss, ist oft einseitig und die Briefe, die geschrieben werden, lassen die Situation eskalieren. Daher rate ich, sich zwar anwaltlich beraten zu lassen, aber wirklich nur das. Man sollte keinen Auftrag erteilen, denn dann geht die Mühle los. Die Scheidungsmediation geht auf beide Partner ein, hat die Emotionen im Blick und erarbeitet mit beiden gemeinsam die beste Strategie.
Im Sinne des „Danach“...
Ja. Dort entscheidet man selbst über das zukünftige Leben und lässt nicht über sich entscheiden. Das ist vor allem in Kindschaftssachen wichtig. Kein Gutachter, kein psychologischer Berater, kein Richter weiß besser, was für die Kinder gut ist als man selbst. Danach kann man noch einmal alles von einem Anwalt überprüfen lassen. Es hat sich noch nicht sehr rumgesprochen, dass ein Paar alle zu regelnden Dinge am besten vor der Scheidung, allein und ohne Richter klären sollte. Für diese Klärung braucht es in der Regel eine Hilfestellung, weil das Paar gerade heillos überfordert ist. Diese Hilfe bietet eine Scheidungsmediation.
Ist eine Trennung auch als Chance zu verstehen?
Diejenigen, die nicht zu sich selbst kommen konnten, die sich durch den Partner dauerhaft blockiert und nicht in ihrer Kraft gefühlt haben, die werden nach der Trennung ein neues Freiheitsgefühl bekommen. Viele scheuen sich zu Recht vor den schlimmen Auseinandersetzungen in der Trennung. Das ist hart und man muss nochmals richtig Kraft aufwenden, um das zu schaffen. Ist das aber geschafft, dann spüren viele, dass es sich viel freier anfühlt. Man ist wieder „sein eigener Herr“. Ich beglückwünsche alle Paare aus tiefstem Herzen, bei denen die Trennung „geglückt“ist.