Schön ist, was funktioniert
100 Jahre Bauhaus. Deutschland feiert die Revolution in Kunst, Architektur und Design flächendeckend
Erneuern wollten die Bauhaus-Gründer um den Architekten Walter Gropius. Kunst und Handwerk vereinigen und stilbildend sein für die moderne Lebenswelt. Klar, funktional und schnörkellos sollte die neue Formensprache sein.
„Das Ziel des Bauhauses ist eben kein Stil, kein System, Dogma oder Kanon, kein Rezept und keine Mode“, so Gropius. „Es wird lebendig, solange es nicht an der Form hängt, sondern hinter der wandelbaren Form das Fluidum des Lebens selbst sucht.“
Aufbruch
Die Strahlkraft der u.a. von Wassily Kandinsky, Lyonel Feininger, Paul Klee und Oskar Schlemmer entwickelten neuen Ausdrucksformen war enorm und wirkt weltweit bis in die Gegenwart fort. Vielleicht war das Bauhaus sogar der bedeutendste deutsche Kulturexport in die Welt im 20. Jahrhundert.
Die Bauhäusler setzten auf eine sachlich-schlichte Innenausstattung und kreierten Produkte mit einfachen Formen, die leicht zu handhaben waren. Nach dem Motto: Schön ist, was funktioniert. Nachhaltig war die Forderung nach Klarheit der Form, die prompt einging ins kleine Einmaleins des guten Geschmacks.
Design-Klassiker
Die Innovationen von damals – die berühmte Wagenfeld-Leuchte, die kugelige Teekanne von Marianne Brandt oder der Breuer-Sessel – sind bis heute gefragte Design-Klassiker.
Dabei bestand die 1919 in Weimar ins Leben gerufene Schule für Gestaltung und Architektur, zugleich Labor der Avantgarde, Synonym für neues Denken und eine Gesellschaftsutopie, 1925 unter politischem Druck nach Dessau umgezogen und 1933 in Berlin unter den Nationalsozialisten geschlossen, nur 14 Jahre.
14 schwierige Jahre.
Weimar
Heute ist die Faszination Bauhaus ungebrochen: Rund 4080 Studenten aus 70 Ländern hat die Bauhaus-Universität Weimar, eine der internationalsten Unis in Deutschland.
Seit 1996 sind die Bauhausstätten in Weimar und Dessau Weltkulturerbe.
Das 100-Jahr-Jubiläum der Kunstbewegung, die mit ihren avantgardistischen Konzepten die Moderne weltweit geprägt hat, wird heuer unter dem Motto „Die Welt neu denken“in Deutschland groß gefeiert. Demnächst wird es in Weimar, Dessau und Berlin gleich drei neue Bauhaus-Museen geben.
Der vom Berliner Architektenduo Heike Hanada und Benedict Tonon für Weimar entworfene Kubus mit fünf Ebenen, die in offenen Räumen ineinander übergehen, angekündigt als Knotenpunkt im „Quartier Weimarer Moderne“, wird am 6. April eröffnet.
Im Zentrum seiner Ausstellung steht die weltweit älteste museale Sammlung von Werkstattarbeiten des Bauhauses, die Gropius schon in den 1920er-Jahren anlegte und später dem Weimarer Schlossmuseum überließ.
Zu sehen ist konkret eine Auswahl von 13.000 Objekten, Zeit-Dokumenten und Design-Ikonen, darunter u.a. der Lattenstuhl von Mar- cel Breuer und Paul Klees Gemälde „Wasserpark im Herbst“.
Und geleitet von der Frage „Wie wollen wir zusammenleben?“wird auf viele Überlegungen Bezug genommen, die heute wie damals für die Menschen relevant sind.
Dessau
Die Bauhaus-Moderne verbindet sich vor allem mit der Industriestadt Dessau. Hier hatte die Schule ihre goldenen Jahre. Hier steht das Schulgebäude mit seiner durchgehende Glasfassade – Weltkulturerbe und Symbol moderner Architektur. Es wurde bereits zu DDR-Zeiten als Mischung aus Kulturund Forschungsinstitution wieder eröffnet.
Und hier steht das neue Museum am Rand der Innenstadt, das über eine Sammlung von rund 49.000 Objekten verfügt und am 8. September eröffnet. Aber kein Kunstmuseum sein will.
Hier, sagt Direktorin Claudia Perren, soll künstlerisch wissenschaftlich gearbeitet werden. Der Stadtpark ist für sie ein „logischer Standort“, weil die 15 Bauhaus-Bauten schon immer über die ganze Stadt verstreut waren und „mit dem neuen Museum mittendrin nicht so eine Art Bauhausinsel entstanden ist“.
Und was wird in Dessau gezeigt? „Wir stellen nicht den Freischwinger als finale Ikone auf ein Podest“, so Perren, „sondern wir erzählen in der Ausstellung: Wie kam es überhaupt zur Idee eines Freischwingers? Wer hat daran gearbeitet? Wie viele Prototypen gab es? Mit welcher Industrie wurde zusammen- gearbeitet? Wie wurden die Produkte vermarktet? Wie viel haben sie gekostet?“
Berlin
Bis mindestens 2021 dauert es noch, bevor das BauhausArchiv in Berlin, zugleich das „Museum für Gestaltung“, saniert und erweitert um einen rund 20 Meter hohen gläsernen Turm des Architekten Volker Staab, eröffnet werden kann.
Das Bauhaus-Archiv/ Museum für Gestaltung beherbergt die weltweit größte Sammlung zur Bauhaus-Geschichte: Produkte aus allen Werkstätten und Phasen der bedeutendsten Schule für Architektur, Design und Kunst des 20. Jahrhunderts: Möbel, Lampen, Metallarbeiten, Keramik und Textilien.
Hinzu kommen eine große Architektursammlung, Grafiken, Gemälde und Plastiken der Lehrer und Studierenden. Zahlreiche Fotogra- fien und Dokumente spiegeln das Leben am Bauhaus wider.
Viele meinen Moderne und sagen Bauhaus als Synonym. Kurios ist für die Bauhaus-Archiv-Direktorin Annemarie Jaeggi, „dass es unglaublich verallgemeinernd oft heißt, das Bauhaus sei gleich die Moderne oder stehe stellvertretend für die Moderne. Und deswegen ist das Bauhaus dann auch vermeintlich schuld an allen Verfehlungen der Moderne. Oder aber das Bauhaus wird glorifiziert, weil es eben stellvertretend für eine gut empfundene, positiv empfundene Moderne steht.“
Aber wie postulierte schon Walter Gropius: Das Bauhaus ist kein Stil, sondern eine Haltung.