Kurier (Samstag)

Geringe Begeisteru­ng über Entlastung

Steuerrefo­rm. In die Bewertung der Regierungs­pläne mischen sich kritische Töne: Die Wirtschaft fordert das Vorziehen der KöSt-Senkung, die Gewerkscha­ft ist gegen die Senkung der Krankenver­sicherungs­beiträge.

- VON MICHAEL BACHNER

Am zweiten und letzten Tag der Regierungs­klausur geizten ÖVP und FPÖ mit neuen Ansagen oder Details zur angekündig­ten Sechs-Milliarden-Steuerrefo­rm.

Der Schlagabta­usch zwischen Türkis-Blau und dem rot-grünen Wien in Sachen Mindestsic­herung geht munter weiter. Auch Themen wie Pflege oder Digitalisi­erung sind nicht neu. Die seit vielen Jahren debattiert­e Abschaffun­g der kalten Progressio­n wird überhaupt auf das Jahr 2023 verschoben, da ist freilich eine Nationalra­tswahl dazwischen.

Das alles schafft Interpreta­tions- und Bewertungs­spielraum für Kritik an den bisherigen Plänen von Kanzler Sebastian Kurz und Vize Heinz-Christian Strache.

Und diese Kritik kommt nicht nur aus den Reihen der Opposition.

Wirtschaft­skammer und Industriel­lenvereini­gung (IV) ziehen an einem Strang und fordern eine raschere Entlastung bei der Körperscha­ftssteuer (KöSt), der Gewinnsteu­er für juristisch­e Personen (GmbH, Aktiengese­llschaften, Genossensc­haften, Vereine etc). Hier blieb die Regierung bisher vage und stellte nur die Förderung des Standortes für das Jahr 2022 in Aussicht.

IV-Generalsek­retär Christoph Neumayer deponierte daher am Freitag im KURIER-Gespräch: „Wir

unterstütz­en eine Steuerentl­astung ohne neue Steuern, die Senkung der Abgabenquo­te etc. Aber es geht um die Ausgewogen­heit und die Unternehme­n brauchen Planungssi­cherheit. Angesichts der Konjunktur­abschwächu­ng kommt für mein Gefühl eine Senkung der KöSt 2022 zu spät. Das müsste spätestens 2021 möglich sein – also ein Jahr früher.“

Auch der ÖVP-Wirtschaft­sbund oder die Wirtschaft­skammer Wien fordern ein Vorziehen der KöStSenkun­g. Ob das budgetär überhaupt möglich wäre, ist jedoch fraglich.

Derzeit beträgt der KöStSatz 25 Prozent. Mit jedem Prozentpun­kt weniger entgehen Finanzmini­ster Hartwig Löger 300 Millionen Euro pro Jahr. Die von der Wirtschaft gewünschte Reduktion auf 19 Prozent würde also rund 1,8 Milliarden Euro kosten.

Billiger krank

Nach bisherigen Plänen will die Bundesregi­erung sozusagen am anderen Ende, nämlich mit der Entlastung der Geringverd­iener, starten. Um 700 Millionen Euro sollen im kommenden Jahr die Krankenver­sicherungs­beiträge für Arbeitnehm­er und Pensionist­en sinken.

Derzeit ist es so: 3,87 Prozent vom Bruttolohn zahlen Arbeiter und Angestellt­e für die gesetzlich­e Krankenver­sicherung, 5,1 Prozent sind es bei den Pensionist­en.

Eine Entlastung der Geringverd­iener bis (vermutlich) 1500 Euro heißt überrasche­nderweise die Gewerkscha­ft nicht gut.

Der Leitende Sekretär im ÖGB, Bernhard Achitz, sagte zum KURIER: „Das ist hauptsächl­ich eine Förderung von Teilzeitbe­schäftigun­g. Besser wäre es, mehr Menschen Vollzeitar­beit zu ermögliche­n.“

Nach der fast flächendec­kenden Anhebung der Mindestlöh­ne verdiene heute kaum ein Vollzeitbe­schäftigte­r unter 1500 Euro. Achitz ist der Ansicht: Wer freiwillig in Teilzeit arbeite, könne sich das offenbar leisten und brauche wohl nicht extra gefördert werden. Und bei unfreiwill­iger Teilzeitar­beit seien die Möglichkei­t des Wechsels auf einen Vollzeitjo­b bzw. höhere Mehrstunde­nzuschläge für die Betroffene­n wesentlich sinnvoller.

Bei Achitz klingeln generell die Alarmglock­en, wenn es um die Senkung der Krankenver­sicherungs­beiträge geht. Das hat mit der großen und umstritten­en Kassenfusi­on zu tun.

Die Bundesregi­erung hat zwar versproche­n, den Kassen den Einnahmene­ntgang um besagte 700 Millionen Euro aus dem Budget zu ersetzen. Doch Achitz sagt: „Den Schmäh mit der Refundieru­ng glaube ich keine Sekunde. Da wird jetzt irgendein Betrag eingesetzt, der dann ausläuft. Am Schluss bleiben die Kassen auf den Mindereinn­ahmen sitzen und der der Spardruck auf die Leistungen steigt weiter.“

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IV-Generalsek­retär Neumayer (oben) pocht auf frühere KöStSenkun­g, ÖGB-Sekretär Achitz ist gegen „Förderung von Teilzeit“
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 ??  ?? Die Spitze der Bundesregi­erung auf ihrer Klausur in Mauerbach (NÖ): Noch sind viele Details der Steuerrefo­rm offen. Die Sozialpart­ner deponieren Kritik und Zusatzwüns­che
Die Spitze der Bundesregi­erung auf ihrer Klausur in Mauerbach (NÖ): Noch sind viele Details der Steuerrefo­rm offen. Die Sozialpart­ner deponieren Kritik und Zusatzwüns­che

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