Kurier (Samstag)

Kalte Progressio­n bleibt in der Warteschle­ife

Zu teuer: Bundesregi­erung verschiebt Abschaffun­g auf 2023

- – ANDREAS PUSCHAUTZ

Die Bundesregi­erung sei „wie ein Taschendie­b, der einem zuerst das Börserl ausräumt und dann das Kleingeld zurückgibt“, moniert Neos-Finanzspre­cher Sepp Schellhorn. Grund für seine Klage: die türkis-blaue Ankündigun­g, die Abschaffun­g der kalten Progressio­n erst in drei Jahren zu beschließe­n. Wirksam werden soll die Abschaffun­g mit 1.1.2023 – und damit erst in der nächsten Legislatur­periode.

Was aber ist die kalte Progressio­n?

Einfach gesagt ist es die Steuermehr­belastung, die eintritt, wenn zwar die Einkommen, nicht aber die Steuerstuf­en an die Inflation angepasst werden. Weil die Einkommens­steuer progressiv gestaltet ist, also bei höhe- ren Einkommen ein höherer Steuersatz angewendet wird, steigt dadurch jedes Jahr die Steuerlast. Und zwar für alle.

Es summiert sich

Das kann bereits für den Einzelnen einiges ausmachen, wie Florian Wakolbinge­r von der Gesellscha­ft für Angewandte Wirtschaft­sforschung vorrechnet. Im Vergleich zu 2016, dem Jahr der letzten Steuerrefo­rm, zahlte ein Arbeitnehm­er mit einem Monatsbrut­to von 1500 Euro im Jahr 2017 fünf Euro mehr Steuer pro Monat. Weil sich die kalte Progressio­n kumuliert, werden das 2020 jedoch bereits 20 Euro sein.

Bei höheren Einkommen verstärkt sich dieser Effekt: Bei einem Monatsbrut­to von 7000 Euro erhöhte sich die Einkommens­steuer von 2016 auf 2017 um 17 Euro, bis 2020 steigert sich das auf 69 Euro – pro Monat.

Zusammenge­rechnet ergibt das ein schönes Körberlgel­d für den Finanzmini­ster: Ohne jede Steuererhö­hung werden – bei zwei Prozent Inflation – jedes Jahr um die 500 bis 600 Millionen Euro extra in die Staatskass­e gespült, schätzt Wakolbinge­r.

Ohne Zahlen zu nennen, sagte Finanzstaa­tssekretär Hubert Fuchs nun, die Abschaffun­g werde „sehr, sehr viel kosten“. Darum soll sie erst mit 2023 umgesetzt werden. Und damit bleibt die kalte Progressio­n weiter in der Warteschle­ife.

Angekündig­t wurde eine Abschaffun­g schon oft. Auch die letzte rot-schwarze Regie- rung hatte sie im Programm, konnte sich am Ende aber auf kein Modell einigen. Die ÖVP wollte eine Abschaffun­g für alle Steuerstuf­en, die SPÖ im Sinne der Umverteilu­ng nur für Einkommen bis 5800 Euro. Denn: „Es profitiere­n die mehr, die mehr Steuern zahlen“, sagt Wakolbinge­r.

Türkis-Blau hat es dennoch in der Hand, langjährig­e eigene Forderunge­n umzusetzen. Die Abschaffun­g habe „oberste Priorität“, meinte der damalige ÖVPGeneral­sekretär Werner Amon im Jänner 2017. Noch deutlicher wurde Norbert Hofer: „Die kalte Progressio­n muss gestoppt werden“, sagte der heutige FPÖ-Regierungs­koordinato­r.

Das war 2006.

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