„Heizung oder Essen“
USA. Regierungsstillstand ist für viele unbezahlte Staatsdiener eine existenzielle Bedrohung
„Ich schaue mich in meiner Wohnung um und versuche herauszufinden, was ich zu Geld machen könnte, um Benzin kaufen und so noch länger ohne Lohn arbeiten fahren zu können“, klagt Pearl Fraley auf Twitter. Die Mitarbeiterin im US-Landwirtschaftsministerium ist eine von 800.000 Staatsbediensteten, die derzeit in unbezahltem Zwangsurlaub sind oder ohne Gehalt arbeiten müssen. „Heizung oder Essen, wir müssen uns entscheiden“, bringt Fraley die Sorgen vieler Betroffener auf den Punkt.
Grund für die Misere ist der seit 22. Dezember andauernde teilweise Regierungs- stillstand (Shutdown), ein Resultat des Streits um das eigentlich längst fällige nächste Staatsbudget. Präsident Trump fordert bekanntlich sechs Milliarden Dollar für den Bau einer Grenzmauer zu Mexiko, was die Demokraten strikt ablehnen. Sollte der Shutdown am Wochenende weiter bestehen, wäre er der längste in der US-Geschichte.
Verwüstungen
Betroffen sind u. a. Ministerien, Forschungseinrichtungen, Fluglotsen, Flughafenpersonal und die NASA. Aber auch Museen, Zoos und Nationalparks, in denen jetzt niemand mehr Eintritt kassiert und Regeln überwacht. Wozu das führen kann, zeigt sich im Joshua Tree National Park in Kalifornien: Verwüstungen durch Autofahrer und wilde Camper sowie Müllberge und verdreckte Sanitäranlagen, die – noch – von Freiwilligen gereinigt werden.
Für zahlreiche Menschen ist der Shutdown eine existenzielle Bedrohung. Ihr Mannsei ein Bundesbediensteter, klagt Ellen Stringer, eine weitere Twitter-Userin. „Wir hängen allein von seinem Einkommen und von Förderungen ab, weil ich mich um unseren behinderten Sohn kümmern muss.“Dazukommt, dass viele US-Bürger quasi von der Hand in den Mund leben müssen. Laut Studien kann jeder vierte in einem finanziellen Notfall nicht einmal 400 Dol- lar aufbringen, ohne einen Kredit aufnehmen oder etwas verkaufen zu müssen.
Anteilnahme
Genau das tun immer mehr vom Shutdown Betroffene. In Kleinanzeigen oder via Social Media bieten sie Teile ihrer Habe an. Dabei trennen sie sich auch von wertvollen Sammlerstücken. Im Fall der Bibliothekarin Anna Cory sind das Bücher aus dem 19. Jahrhundert. „Ein Schatz für mich“, sagt die 39-Jährige gegenüber der Washington Post. Andere Betroffene bitten auf der Crowdfunding-Plattform „GoFundMe“um Spenden.
Oft ist all das nicht genug. Medien zufolge haben sich zuletzt auffallend viele Mitarbei- ter der Behörde TSA, die auf Flughäfen Pässe und Taschen kontrollieren und die trotz fehlender Bezahlung zur Arbeit erscheinen müssten, krank gemeldet. Es wird vermutet, dass sie einer Nebenbeschäftigung nachgehen.
Im Internet finden sich aber auch Berichte über Anteilnahme und großzügige Hilfsangebote. Restaurants verschenken Mahlzeiten, Schuldistrikte sammeln Geld, damit die Kinder unbezahlter Staatsdiener weiter in der Schule essen können. Ein junger Mann, dessen Friseur ihm spontan kostenlos die Haare geschnitten hat, freut sich: „Es ist so ein gutes Gefühl zu wissen, dass Leute sich kümmern und helfen wollen.“