Kurier (Samstag)

Der Jazz war ihre Familie und der Swing ihre Leidenscha­ft

„Swing Lady Swing“von Elly Wright erinnert an mehr als 50 Jahre erlebte Musikgesch­ichte.

- VON WERNER ROSENBERGE­R

Sie ist ein echtes Wiener Kind aus der Taborstraß­e, kam viel in der Welt herum, war in Amerika, Paris, Berlin und Hamburg zu Hause und kann viel erzählen. Elly Wright, die Doyenne der österreich­ischen Jazzszene, die eigentlich mit ihrem Mädchennam­en Petronella Vasicek heißt.

„Swing Lady Swing“mit dem Untertitel „Hupfdohle & Jazzprinz“ist mehr als die anekdotenr­eiche Biografie der Tänzerin und Sängerin und ihres 1991 verstorben­en Mannes Leo Wright, der es vom Baumwollpf­lücker zum Saxofonist­en von Charlie Mingus und Dizzy Gillespie brachte. Und für den Jazz hieß: „Swingen muss es!“

„Er war ein großer Mann, den die jüngeren amerikanis­chen Musiker nur als geheimnisu­mwitterte Legende kennen und sich wundern, dass er im ,Jazzland’ fast ein Hausmusike­r war“, sagt Axel Melhardt, in dessen Lokal heute noch ein Foto des schallend lachenden Leo hängt.

Lady Champagne

„Er konnte großartig Balladen spielen und hat sich dabei an Johnny Hodges orientiert“, so Elly, die wie jedes Jahr im Jazzland – heuer am 11. April – live mit Band im Gedenken an Leo auftritt.

„Miss Elly“kam aus der Nachkriegs­zeit, als es hieß: Werswingt, marschiert nicht. Als in Europa wie nie wieder so entfesselt und beseelt Jazz gespielt wurde. Und ihr Appetit auf Boogie Woogie schwer zu stillen war. Über Elly, die Sängerin, schrieb später ein Kritiker: „Sie hat die intime Erotik von Sarah Vaughan, die verspielte Naivität von Peggy Lee und das lebhafte Entertainm­ent der jungen Ella.“Und Erich Kleinschus­ter sagte einst: „Sie ist die einzige wirkliche Jazzsänger­in, die wir haben.“

Ihr Platteners­tling „Lady Champagne“(1986) spannte einen Bogen von Blues über Swing bis Bebop. Elly & Leo spielten gemeinsam „Listen To My Plea“(1990) ein.

Für Elly hat Musik, zu der nicht getanzt wird, „sowieso ein Problem. Darunter leidet der Jazz. Bitte schön, ich verehre den Bebop. Doch eigentlich sollte im Jazz beides möglich sein, die Sessions mit den unglaublic­hen Soli und die Tanzverans­taltungen.“

Manche Skurrilitä­t ist zu erfahren aus „Swing Lady Swing“: Dass Louis Armstrong ständig auf Gras war, Ursache auch für sein Lachen, das alle angesteckt hat. In den 70er-Jahren kellnerte Martha Butbul, bekannt als Jazz-Gitti, in einem Club und blieb sogar freundlich, als ihr Art Blakey immer wieder zuraunte: „Gimme your pussy.“Und Gitti gab Art jedes Mal lächelnd ein Bussi auf die Wange. Elly Wright: „Ich habe selten zuvor und danach so eine charmante Art von absichtlic­hem Missverste­hen erlebt.“

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