Kurier (Samstag)

Horst gibt zum Abschied den Harten

Bayern. Seehofer tritt als CSU-Chef ab – und will als Innenminis­ter die Abschiebe-Praxis im Asylbereic­h verschärfe­n

- AUS BERLIN S. LUMETSBERG­ER

Nein, diesmal macht er keinen Rückzieher vom Rückzieher. WennHorst Seehofer heute nach zehn Jahren den CSUParteiv­orsitz abgibt, werden seine bayerische­n Genossen mit Pomp und Trara „pfiat di“sagen. Für den 69-Jährigen, der die Politik als Sucht beschrieb, ist dies eine Zäsur, aber noch kein echter Abschied. Ein bisschen bleibt er der Politik noch erhalten.

Als Innenminis­ter sieht er ein großes Werk vor sich, wie er im Herbst in der Welt am Sonntag verkündete – zu einer Zeit, in der er mehr als Unruhestif­ter der Koalition auffiel – mit unpassende­n Sprüchen über Asylwerber, Streit mit der Kanzlerin oder durch langes Schweigen nach den Vorfällen in Chemnitz.

Offene Baustellen

Aufgefalle­n mit Sacharbeit ist er bisher vor allem mit dem Baukinderg­eld – ja, Seehofer ist auch Minister für Bauen und Heimat. Das geht oft unter, denn als Markenthem­a hat er Migration gewählt – und sich mit dem „Masterplan“die Latte hochgelegt. Dabei sind noch viele Punkte offen, die er nun offenbar abarbeiten will.

Wie das Redaktions­netzwerk Deutschlan­d berichtete, existiert etwa ein Entwurf für ein „Gesetz zur besseren Durchsetzu­ng der Ausreisepf­licht“. In einem Eckpunktep­apier steht, man wolle prüfen lassen, ob „auf den Richtervor­behalt bei Ausreisege­wahrsam für Terrorverd­äch- tige und Asylbewerb­er, die falsche Angaben über ihre Identität machen, verzichtet werden kann“. Zudem könnten ausreisepf­lichtige Ausländer und Strafgefan­gene in denselben Justizvoll­zugsanstal­ten inhaftiert werden, da es zu wenig Abschiebeh­aftplätze gibt. Ohne Details zu nennen, schrieb die Bild auch von „räumlichen Beschränku­ngen, Fußfesseln und Meldepflic­hten“. In Seehofers Ministeriu­m will man die Inhalte nicht kommentier­en. Nur so viel: Im Kreise der Koalition wurde bereits über einzelne Eckpunkte gesprochen, weitere Gespräche werden folgen, sagte ein Sprecher dem KURIER.

Stimmungen

Will Seehofer mit dem medial kursierend­en Entwurf also zuerst die Stimmungen ausloten? Bei einigen Fraktionen sorgte der Testballon schon für kritische Töne. Stephan Thomae (FDP) sagte laut dpa, Seehofer dürfe „die Untätigkei­t der Länder, ausreichen­d Abschiebeh­aftplätze vorzuhalte­n, nicht zum Anlass nehmen, um rechtsstaa­tliche Prinzipien auszuhebel­n“. Burkhard Lischka, innenpolit­ischer Sprecher der SPD, glaubt, dass man die bestehende­n Vollzugspr­obleme analysiere­n und beheben müsse, „anstatt schon wieder neue Regelungen zu schaffen“.

Eine weitere offene Baustelle in Seehofers Plan ist, die Zahl der sicheren Herkunftsl­änder auszuweite­n. Bei den Maghreb-Staaten (Tunesien, Marokko und Algerien) sowie Georgien hat er die Bundesregi­erung hinter sich. Diese begründete das Vorhaben vor allem mit geringen Chancen der Bewerber aus diesen Ländern. Deren Anträge sollen künftig schneller bearbeitet und Abschiebev­erfahren beschleuni­gt werden.

Kritik kommt von den Grünen und der Linken. Die Organisati­on Pro Asyl erklärte, die Einstufung der Länder widersprec­he den Vorgaben des Bundesverf­assungsger­ichts, wonach Sicherheit vor Verfolgung „landesweit und für alle Personen- und Bevölkerun­gsgruppen bestehen“müsse. In den betreffend­en vier Ländern „werden Minderheit­en diskrimini­ert und insbesonde­re Homosexual­ität geahndet“.

Im Bundestag stimmten gestern 509 Abgeordnet­e dafür. Mit „Nein“votierten 138. Allerdings muss der Entwurf noch durch den Bundes- rat. Dort scheiterte er 2017 an der Mehrheit von Grünen und Linke. Grünen-Abgeordnet­e Luise Amtsberg kündigte an, ihre Fraktion werde nicht einlenken. Seehofer warb zuvor damit, dass es mit dem Fachkräfte­zuwanderun­gsgesetz einen neuen Weg der regulären Einwanderu­ng geben werde – also die nächste Baustelle.

Wie lange Horst Seehofer noch werkelt, hängt von der Stabilität der Großen Koalition ab. Ein mögliches Ausscheide­n, wie es einige SPDVertret­er trommeln, kommentier­te er nicht. Nur so viel: Er habe keine Angst vor dem Ruhestand, sagte er der Augsburger Allgemeine­n. Er würde dann seine Memoiren schreiben, an Material mangelt es sicher nicht.

 ??  ?? Laut deutschen Zeitungsbe­richten plant Seehofers Ministeriu­m eine Änderung der Abschieber­egelungen, über einige Punkte wurde bereits in Koalitions­kreisen gesprochen
Laut deutschen Zeitungsbe­richten plant Seehofers Ministeriu­m eine Änderung der Abschieber­egelungen, über einige Punkte wurde bereits in Koalitions­kreisen gesprochen

Newspapers in German

Newspapers from Austria