Fräulein Rottenmeier und die Keksi
Frische Schaumrollen, himmlisch leicht, Prosit Neujahr, wünscht Adelheid. Dieser zauberhaften Alltagspoesie begegnete man dieser Tage in Wien-Mariahilf in Form eines handgeschriebenen Zettels am Eingang zum Raimundhof.
Benannt nach dem Schauspieler und Dichter Ferdinand Raimund, der im dort angesiedelten Haus „Zum goldenen Hirschen“geboren wurde, führt dieses Durchhaus zur Windmühlgasse und besteht aus einer Aneinanderreihung mehrerer Stiegenhäuser und Höfe, durch die man, folgt man dem poetischen Schaumrollenversprechen, zu Adelheid kommt.
Menschen, die ihre Kinderbücher noch präsent haben, denken beim Namen Adelheid je- doch zunächst nicht an Schaumrollen, sondern an das Fräulein Rottenmeier. Die verbissenstrenge Gouvernante war es, die aus Heidi, einem ausgelassenfröhlichen Kind aus den Schweizer Bergen, ein diszipliniertes Frankfurter Stadtkind namens Adelheid machen wollte. Vergebens zwar, jedoch blieb ein gewisser Hautgout, der dem Namen Adelheid anhaftete.
Bis nun jene SchaumrollenDichterin auftauchte, die unter dem Namen Adelheid eine entzückende Bäckerei im Raimundhof betreibt. Und dort erfrischenderweise ausdrücklich Kekse bäckt und keine modischen Kinkerlitzchen wie Macarons, diese kindisch-bunten Mini-Raumschiffe, die sich vom französischen Präsidenten nur durch einen Vokal unterscheiden. Nun dürfen neuerdings jedoch weder französische noch österreichische Backwaren in den Öffis verspeist werden. Manch renitente Natur, die nie Verlangen nach derart ungemütlicher Nahrungsaufnahme hatte, verspürt da plötzlichen Drang nach solcher Unart. Was dafür droht, ist soziale Ächtung. Früher erledigten das jene älteren Damen, die schlechtes Benehmen in Verkehrsmitteln verlässlich mit Keppeln und eventuell einem dezenten Stupser mit Schirm oder Stock quittierten.
Man trifft diese Art von Damen heute seltener an. Wer weiß, ob das ein Unglück ist. Man könnte stattdessen ja das Fräulein Rottenmeier engagieren.
barbara.mader@kurier.at