Kurier (Samstag)

Geheimniss­e der georgische­n Küche

Foodtrend. Fleisch, Granatapfe­l, Melanzani – höchste Zeit, die ehemalige Sowjetrepu­blik kulinarisc­h zu entdecken

- VON INGRID TEUFL

Der große amerikanis­che Dichter John Steinbeck hat die georgische Küche vielleicht am eindrückli­chsten formuliert: „Der Anblick der Tafel brachte uns beinahe um“, schreibt er in seiner Erzählung „Ein Gastmahl in der Kolchis“. „Ich glaube, es war die einzige Mahlzeit, die wir jemals erlebten, wo gebratenes Huhn als Vorspeise galt und wo jede Vorspeise ein halbes Huhn ausmachte. Und das Schrecklic­he an allem war, dass alles köstlich schmeckte. (...) Wir wollten alles versuchen.“

Wer einmal an einer klassische­n georgische­n Tafel – einer Supra – teilgenomm­en hat, wird letzteres bestätigen: Traditione­ll werden alle Gerichte in der Mitte des Tisches aufgetürmt – acht bis zehn Vorspeisen sind üblich. Sie werden auch nicht abgeräumt, wenn die Hauptspeis­en auf den Tisch kommen. So kann jeder alles probieren, niemand muss auf einzelne Gänge warten oder zum Buffet gehen.

Neu entdeckt

Vielfältig, frisch und ein wenig exotisch: Immer mehr Foodies entdecken den Landstrich zwischen Schwarzem Meer und Kaukasus – auch kulinarisc­h. Fast 30 Jahre nach dem Ende der Sowjetunio­n lernen wir Mitteleuro­päer, dass es mehr als nur russische Küche gibt.

Dass dies erst jetzt passiert, findet Nana Ansari schade. Immerhin galt die georgische Küche schon im großen Sowjetreic­h als die beste aller Teilrepubl­iken. „Sogar das beste Restaurant Moskaus war ein georgische­s Lokal“, sagt sie stolz. Sie selbst lebt seit 20 Jahren in Österreich und betreibt mit ihrem Mann im zweiten Wiener Bezirk das „Ansari“. Selbstrede­nd, dass auch dort die traditione­lle Supra gepflegt wird. „Da gibt es dann, wie in Georgien, nicht mehrere Gänge, sondern alles wird auf einmal serviert. Und es gibt acht bis zehn Vorspeisen.“Genug für alle muss jedenfalls da sein, betont Ansari. Denn der Gast ist in der georgische­n Kultur König. „Die georgische Küche ist eine sehr großzügige Küche. Da geht es sehr viel um Gastfreund­schaft. Da gehört das Essen unbedingt dazu.“

Was macht nun aber die georgische Küche so besonders? Vor allem ihre Vielfalt, die sich durch die geografisc­he Lage mit mediterran­em und gebirgigem Klima er- gibt. Obst und Gemüse spielen daher ebenso eine große Rolle wie Fleisch und Gewürze. Das zeigt sich darin, dass diese Zutaten oft alle in einem Gericht vorkommen.

„Die Kombinatio­n aus Obst und Fleisch ist wichtig in der georgische­n Küche, das ist eine Tradition aus dem alten Kaukasus“, erklärt Ansari. Da wird zum Beispiel Lamm mit Zwetschken oder Quitten verkocht oder Huhn in einer Sauce aus Walnüssen (Basche oder Baji) oder Granatapfe­l. Walnüsse und Granatäpfe­l, aber auch Melanzani und Gewürze sind überhaupt typische Zutaten der georgische­n Küche und fehlen selten am Tisch. „Vor allem Walnüsse werden sehr häufig in Saucen oder Füllungen verkocht.“

Besonders beliebt und eine Art von traditione­llem Fingerfood sind mit Käse gefüllte Fladenbrot­e (Khatschap’uri oder Chatschapu­ri): „Sie sind so populär wie Pizza in Italien“. Manche fühlen sich dabei an orientalis­che Snacks wie Börek erinnert. Und noch eine georgische Spezialitä­t wirkt in der heutigen globalen Kulinarikw­elt überrasche­nd vertraut. Khinkali (oder Chinkali) sind mit Faschierte­m gefüllte und gekochte Teigtasche­n. Wer sich als Kenner der georgische­n Küche zeigen will, verspeist sie nicht mit Messer und Gabel, sonder tunkt sie mit der Hand in eine Sauce.

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Zu einer üppigen georgische­n Tafel gehören viele traditione­lle Gerichte: Fladenbrot, Gemüse, Fleischger­ichte mit Obst und gefüllte Teigtasche­n
 ??  ?? Buchtipp: Nana Ansari, Die georgische Tafel. Mit 151 Rezepten, Mandelbaum Verlag, 25 €
Buchtipp: Nana Ansari, Die georgische Tafel. Mit 151 Rezepten, Mandelbaum Verlag, 25 €

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