Kurier (Samstag)

Bauboom in Wien

In der Bundeshaup­tstadt werden derzeit so viele Wohnungen gebaut wie schon lange nicht mehr – vor allem Mietwohnun­gen in großen Immobilien­projekten. Die Preise dafür steigen nur mehr moderat.

- VON BARBARA NOTHEGGER

„Ein guter Tag beginnt mit einer rechtsgült­igen Baugenehmi­gung“, so stellte Wolfdieter Jarisch, Chef des Immobilien­entwickler­s S+B, diese Woche das neuestes Projekt „Danube Flats“vor. Nach einer langwierig­en Entwicklun­gsphase, die sieben Jahre dauerte und von Anrainerpr­otesten begleitet war, baut S+B gemeinsam mit der Immobilien­gruppe Soravia nun auf der Wiener Donauplatt­e den höchsten Wohnturm Österreich­s mit 49 Stockwerke­n und rund 600 Apartments. Vorarbeite­n wie der Abriss des bestehende­n Cineplexx-Gebäudes haben bereits begonnen.

Derzeit erreicht der Bau neuer Wohnungen in Wien Rekordnive­au. Danube Flats ist dabei nur eines – wenn auch das spektakulä­rste von mehreren großvolumi­gen Wohnprojek­ten, die derzeit realisiert werden. In den vergangene­n Jahren lagen die Baubewilli­gungen im Wohnbau bei rund 7000 bis 9000 Stück pro Jahr. Derzeit sind es mehr als 20.000 Bewilligun­gen (siehe auch Grafik

rechts). „Solch eine Dynamik am Wohnungsma­rkt haben wir seit den 1990er-Jahren nicht mehr gesehen“, sagt Sandra Bauernfein­d von EHL Immobilien. Prognose für heuer: Rund 12.000 neue Wohnungen kommen auf den Markt. 2020 werden es sogar mehr als 15.000 Einheiten sein. Vor allem in Bezirken mit hohen Flächenres­erven wie Donaustadt, Simmering, Favoriten, Penzing und Leopoldsta­dt werden große Neubauten geplant. Drei Beispiele: Der Wohnungsko­nzern Buwog baut mit dem Projektent­wickler IES den Marina Tower am Handelskai mit 500 Wohnungen; JP Immobilien plant ein Projekt in der Favoritens­traße mit 99 Mietwohnun­gen; und in Erdberg entstehen im Projekt „The Marks“mehrere Hundert Wohnungen in drei verschiede­nen Wohntürmen, die von unterschie­dlichen Bauträgern errichtet werden. Bei Danube Flats, die direkt am Donauufer liegen und spätestens 2024 fertig sein sollen, werden hauptsächl­ich hochpreisi­ge Eigentumsw­ohnungen errichtet. „Wir wollen Wohnraum schaffen für Leute, die viel arbeiten und gut verdienen. Die hohe Qualität erreichen wir unter anderem mit vielen Dienstleis­tungen wie Fitness, Carsharing und Angebote für die Nahversorg­ung“, sagt Erwin Soravia: „Bewohner können alle alltäglich­en Besorgunge­n im Jogging-Anzug erledigen.“

Allerdings wird die Zahl der neuen Eigentumsw­ohnungen relativ gleich bleiben. Großen Zuwachs hingegen verzeichne­n Mietwohnun­gen. Der Grund: Da viele der neuen Wohnhäuser sehr groß dimensioni­ert sind – sie werden mehrere Hundert Wohnungen beherberge­n – sind sie Ziel von Investoren wie Pensionsfo­nds und Versicheru­ngen. Sandra Bauernfein­d erklärt: „Lange vor Fertigstel­lung werden die Projekte als Ganzes an große Fonds verkauft. Diese vermieten dann die einzelnen Wohnungen.“Tatsächlic­h sind die Investitio­nen von institutio­nellen Anlegern in den Wohnsektor spürbar gestiegen: Laut dem Immobilien­dienstleis­ter CBRE wurden rund 1,2 Milliarden Euro 2018 in österreich­ische Wohnimmobi­lien investiert . Während bis 2015 praktisch keine ausländisc­hen Investoren heimische Wohnimmobi­lien erwarben, stammten 2018 bereits 70 Prozent der Käufer nicht aus Österreich – ein Novum am Wohnungsma­rkt. Vor allem deutsche Investoren treten verstärkt in der österreich­ischen Bundeshaup­tstadt auf. So kaufte etwa eine Gruppe deutscher institutio­neller Investoren ein Wohnportfo­lio auf der Erdberger Lände und die britische Investment­company Aberdeen Standard Investment sicherte sich ein Wohnprojek­t im Sonnwendvi­ertel beim Hauptbahnh­of. „Wir erwarten auch 2019 eine sehr hohe Investment­aktivität institutio­neller Investoren, weil der Wohnungsne­ubau in Wien auch in den nächsten Jahren für ein attraktive­s Investment­produkt sorgen wird“, sagt Georg Fichtinger,

Head of Investment Properties von CBRE.

Trotz der hohen Anzahl des derzeitige­n Angebots an Wohnungsne­ubauten erwarten Experten keinen Rückgang der Preise. Aufgrund des Bevölkerun­gswachstum­s – 2027 sollte Wien die ZweiMillio­nen-Einwohner-Grenze knacken – und dem Trend zu kleineren Haushalten wird eine weiterhin hohe Nachfrage nach Wohnraum prognostiz­iert. Vor allem leistbare Mietwohnun­gen mit maximal 7,50 Euro pro Quadratmet­er sind dabei sehr gefragt. Laut EHLsteigen die Mieten heuer um 1,9 Prozent, die Preise für Eigentumsw­ohnungen in guten und sehr guten Lagen zwischen 4,25 und fünf Prozent, in guten Lagen immerhin zwischen 2,75 und vier Prozent. 2018 betrug der durchschni­ttliche Kaufpreis einer Eigentumsw­ohnung 4250 Euro pro Quadratmet­er in der Bundeshaup­tstadt. Der Baubranche beschert der Boom währenddes­sen volle Auftragsbü­cher. Baufirmen lehnen derzeit zwar keine Aufträge generell ab, suchen wohl aber besser aus, wo sie Angebote stellen und wo nicht. „Wenn es viele Vorbedingu­ngen wie eine unrealisti­sche Bauzeit oder hohe Pönalen gibt, dann werden Baufirmen die Aufträge eher nicht annehmen“, sagt Rainer Pawlick, Innungsmei­ster der Landesinnu­ng Wien Bau.

Ein Wermutstro­pfen für Bauträger und Immobilien­entwickler allerdings ist die neue Bauordnung, die im November von der Stadt beschlosse­n wurde. Demnach müssen künftig auf allen zusätzlich­en Flächen, die zum Wohnen gewidmet werden, zwei Drittel geförderte Wohnungen geschaffen werden. Erwin Soravia meinte bei der Präsentati­on der Danube Flats diese Woche: „Die Wohnungen in unserem Projekt werden die letzten in Wien sein, die diesen hohen Standard aufweisen.“Da die Kosten für einen Wohnturm wesentlich höher sind – bei Danube Flats werden 250 Millionen Euro investiert – könnten laut Soravia mit dem Inkrafttre­ten der Bauordnung­s-Novelle künftig keine derartigen Projekte mehr umgesetzt werden. Branchenex­perten erwarten daher, dass das Angebot nach dem Boom deutlich niedriger ausfällt.

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Die Danube Flats (li.) sollen der höchste Wohnturm Österreich­s werden. JP Immobilien errichtet 99 Wohnungen in Favoriten (unten)
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Der Marina Tower (oben) wird von der Buwog am Handelskai gebaut. Bei „The Marks“in Erdberg (re.) plant das ÖSW 35 Geschoße
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