Kurier (Samstag)

Die FPÖ will nicht Geschichte lernen

Herbert Kickl entweiht die vielen Feierstund­en des offizielle­n Österreich zum Holocaust-Gedenken.

- DANIELA KITTNER

Über die Aussage von Herbert Kickl, wonach das Recht der Politik und nicht die Politik dem Recht zu folgen habe, kann man diskutiere­n, ja, auch streiten. Artikel 1 der Bundesverf­assung lautet: Österreich ist eine demokratis­che Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.

In einer repräsenta­tiven Demokratie erfolgen die Rechtsetzu­ngsakte durch das Parlament (und deren Auslegung durch die Judikatur der Höchstgeri­chte). Wechseln die politische­n Mehrheiten, ändern sich die Inhalte der Gesetze.

Das Problemati­sche an Kickls Aussage war ein anderer Teil in diesem ORF-Report-Interview. Er sprach von „irgendwelc­hen seltsamen rechtliche­n Konstrukti­onen“, die schon „viele, viele Jahre alt“seien und ihn daran „hindern, zu tun, was notwendig ist“. Und notwendig sei, das „brennende Haus mit dem Schlauch zu löschen“. All das sagte Kickl in Zusammenha­ng mit Flüchtling­en, einer Verschärfu­ng des Asylrechts und Fragen nach der Menschenre­chtskonven­tion.

Das „brennende Haus“sind die Flüchtling­e in Österreich, der „Löschschla­uch“ist das Abschieben und das „Hinderlich­e dazwischen“ist die Europäisch­e Menschrech­tskonventi­on. Es sind genau solche Codes, mit denen der rechtspopu­listische Pointensch­leuderer Kickl seit Jahrzehnte­n das FPÖ-Publikum bedient.

Diesmal ist die Nazi-Keule für Kickl wirklich angebracht. Zum einen haben die Nazis mit ähnlichen, entmenschl­ichenden Sprachbild­ern (das brennende Haus) gegen Menschengr­uppen gehetzt. Zweitens ist die Europäisch­e Menschenre­chtskonven­tion eine Antwort auf den Holocaust, wie Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen am Freitag dankenswer­terweise in Erinnerung rief. Sie ist die Lehre aus einer Geschichte menschlich­er Massenvern­ichtung. Ausgerechn­et sie mit Verweis auf ihr Alter entrümpeln zu wollen, kann nicht als Zufall durchgehen. Was ist dann mit dem Bürgerlich­en Gesetzbuch, auf dessen Grundfreih­eiten FPÖ-Burschensc­haften mitunter so stolz verweisen? Es ist noch „viele, viele Jahre“älter.

Keine Staatspart­ei

Leider ist es nicht Kickl allein, die gesamte FPÖ will offenbar keine Staatspart­ei werden. Vermutlich aus Angst, Stimmen zu verlieren, möglicherw­eise auch, weil es ihr Wesen ist, gebärdet sich die FPÖ wie zu schlimmste­n Opposition­szeiten. Das Neujahrstr­effen der Freiheitli­chen in der Wiener Messe war ein Tiefpunkt in Inhalt und Stil.

Das stimmt weniger empörend als traurig. Österreich hat gerade ein Gedenkjahr hinter sich, morgen begehen wir den internatio­nalen Holocaust-Gedenktag. Es bleibt ein schaler Geschmack, wenn die vielen Feierstund­en des offizielle­n Österreich bei einem Teil der Bundesregi­erung offensicht­lich keine Spuren hinterlass­en. Das kommt einer nachträgli­chen Entweihung gleich. Daran ändert auch nichts, dass der Innenminis­ter nun notgedrung­en und nach tagelangem Druck erklärt, dass er die Menschenre­chtskonven­tion doch respektier­en wolle.

daniela.kittner@kurier.at

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