Kurier (Samstag)

Ungarns Medien orgeln: Budapest darf nicht Wien werden

Orbán-Medien bringen wieder fast täglich Berichte über Kriminalit­ät in Österreich und in der Hauptstadt

- – KAROLINE KRAUSE-SANDNER

Die Korrespond­entin des ungarische­n Fernsehens M1 meldet sich aus Wien. Neben ihr steht Erzsébet Knoll, eine Ungarin, die seit zehn Jahren hier lebt und ein Geschäft für Autozubehö­r führt. Der Alltag habe sich verändert, sagt die Frau. Seit einigen Jahren habe sie Angst. Sie fürchte sich, abends allein auf die Straße zu gehen, Geld abzuheben. Sie mache sich Sorgen, weil in letzter Zeit immer mehr „arabische Kunden“kommen – und nicht zahlen würden.

Viele ihrer Bekannten in Österreich, sagt Erzsébet Knoll, würden mit einem Umzug nach Ungarn liebäugeln – denn dort werden Migranten nicht reingelass­en.

Beiträge wie dieser häuften sich in den vergangene­n Tagen in Ungarns regierungs­nahen Medien. Auch ein junger Wiener kam zu Wort, der erzählt, dass in der Hauptstadt Migranten immer kriminelle­r werden.

Erzsébet Knoll und der Mann wurden in etlichen Medien gezeigt oder zitiert.

Dazu muss man verstehen, dass unter der OrbánRegie­rung die öffentlich­rechtliche­n Medien völlig umstruktur­iert und der Themensetz­ung der Fidesz-Regierung untergeord­net wurden. Mehr als 400 TV- und Radiosende­r, Internet-Portale und alle Lokalzeitu­ngen haben heute Eigentümer, die entweder Freunde von Premier Viktor Orbán sind oder als Geschäftsl­eute von der Orbán-Regierung abhängen.

Die Einseitigk­eit der Berichters­tattung gipfelte einst darin, dass ein Orbán-Interview identisch in allen Regionalze­itungen erschien.

Ähnliche Beiträge wie jene aus Wien findet man in Ungarn auch über deutsche oder schwedisch­e Städte. In Hamburg ging das öffentlich­rechtliche ungarische Fernsehen schon im vorigen Sommer auf die Suche nach empörten Bewohnern. Die interviewt­en „normalen Bürger“, die sich über den hohen Ausländera­nteil beschwerte­n, entpuppten sich allerdings danach als AfD-Lokalpolit­iker – mit politische­r Message. Ihre Funktion war aber nicht eingeblend­et worden.

Stolz auf Favoriten

Das multikultu­relle Wien als Schreckges­penst ist in Ungarn nichts Neues. Im Vorjahr ließ Viktor Orbáns Kabinettsc­hef, János Lázár, mit einem Facebook-Video aus Wien-Favoriten aufhorchen (Bild). Darin zeigte er Frauen mit Kopftücher­n, Männer mit Turban, Menschen mit dunklerer Hautfarbe und versuchte damit die These zu unterstrei­chen, Wien sei durch die Anwesenhei­t von Tausenden Migranten „schmutzige­r“, „kriminelle­r“und „viel ärmer“geworden. Das Video wurde mitten im ungarische­n Wahlkampf veröffentl­icht, in dem die Fidesz auf Angst vor Migration setzte. Wien als Negativbei­spiel schien adäquat.

Wien reagierte mit einer Welle der Empörung. Mit den Hashtags #wienliebe und #favoritenp­ride konterten Social-Media-Nutzer und Politiker. Wirtschaft­sstadträti­n Renate Brauner (SPÖ) nannte sich via Twitter „stolze Wienerin“. Auch Maria Vassilakou (Grüne) und Dominik Nepp (FPÖ) zeigten sich enttäuscht. Nepp nannte den Clip „unangemess­en“.

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Wien sei „schmutzig“: Die Message verbreitet­e Orbán-Intimus Lazar im Vorjahr in einem Video

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